Schon die ersten Meter in Albanien versetzen uns in die Stimmung, dass wir in einem uns unbekannten Land angekommen sind.
Sind uns die Staaten von Ex-Jugoslawien noch irgendwie vertraut vorgekommen, ist das Gefühl nun vorbei. In Shkodra herrscht absolutes Verkehrschaos, jeder macht was er will, vor allem die Mercedesfahrer, von denen es unzählige gibt. War in Montenegro der VW Golf das Fahrzeug der Wahl, so ist es in Shkodra eindeutig der Mercedes. Die Häuser können noch so schäbig sein, es steht bestimmt ein Mercedes davor.
Es ist kalt und regnet, daher steuern wir wieder einen Campingplatz an. Das Shkodra Lake Resort ist zwar geschlossen, aber der Campwächter lädt uns ein, gratis zu übernachten. Wir können auch die Toiletten und das Wifi nutzen. Ein Teil der Campinganlage ist überschwemmt. Wegen der heftigen Regenfälle in den letzten Tagen und der Schneeschmelze hat ein Kraftwerk die Schleusen geöffnet, sodass der See über die Ufer getreten ist.
Für das Abendessen haben wir einen Restauranttipp von einer Bekannten bekommen. Im B7 Zogaj, etwas außerhalb von Shkodra, ist ein Tisch für uns reserviert. Wir sind am späten Nachmittag die einzigen Gäste und genießen den Blick – soweit die schwarzen Wolken und der strömende Regen es zulassen – auf den See. Zwei Fischerboote schippern unverdrossen am See herum. Wir bestellen als Starter eine gemischte Platte Vorspeisen, bestehend aus Feta, Käse, Oliven, warmen Spinatstrudel und Plätzchen aus Karpfenrogen. Alles schmeckt köstlich. Als ersten Gang gibt’s ein Risotto mit Aal (Ngjale) aus dem See und das Hauptgericht ist dann der berühmte Karpfen in einer Zwiebel-Tomatensauce (Tave Krapi), die zum hineinknien ist. Beim Bezahlen glauben wir zuerst, dass ein Fehler passiert ist, denn wir bezahlen für das Menü inklusive Getränke nur 24 Euro. Aber es stimmt so.
Da das Wetter weiterhin schlecht bleibt, verzichten wir auf einen Bummel durch Shkodra und fahren nach Süden weiter. Straßenmäßig lernen wir alles kennen was Albanien zu bieten hat. Von schlechten, mit Schlaglöchern übersäten Hauptstraßen mit 50 km/h Beschränkung und Schotterstraßen bis hin zur neuen Autobahn mit eingebautem Kreisverkehr (!).
Etwas außerhalb von Poljan besichtigen wir die antike Stadt Apollonia. Apollonia wurde 588 v. Chr. gegründet und war lange eine kulturell wichtige Stadt, die in den 1920er Jahren von einem französischen Archäologen-Team ausgegraben wurde. Wir folgen der Beschilderung und sehen die Überreste eines Tempels, eines Amphitheaters, einer Bibliothek und noch einige Gebäude mehr. Ich finde solche Ausgrabungen immer höchst interessant, da ich mir immer vorstelle, was diese Steine schon alles erlebt haben. Auf dem Hügel namens Akropolis ist außer der antiken Straße nicht mehr viel Antikes zu sehen, dafür findet man hier Militärbunker neueren Datums.
Wir besuchen auch das Museum, das extra für uns aufgesperrt wird. Die hier ausgestellten Exponate sind wirklich beeindruckend, nicht nur Scherben, sondern viele vollständige Gefäße und Skulpturen, auch Glasflacons sind darunter. Am Museumsgelände befindet sich auch eine sehr schöne orthodoxe Kirche.
Als wir nach Vlore weiterfahren wollen, deutet uns ein entgegenkommender Einheimischer, dass wir hier nicht weiterkommen und ihm folgen sollen. Bei der nächsten großen Kreuzung deutet er in südliche Richtung und gibt uns zu verstehen, dass es hier nach Vlore geht. Die Straße ist breit und gut geschottert, aber im Navi nicht verzeichnet. Nach einem Stück stellen wir fest, dass hier eine neue Autobahn entsteht. Nach einigen Kilometern schließt die Schotterpiste nahtlos an die bereits fertige Autobahn an – Einfahrt Kreisverkehr aus der Schotterpiste kommend. Ein Polizist, der dort gerade den Gegenverkehr kontrolliert, deutet uns Daumen hoch.
Von Vlore führt eine Uferstraße nach Süden. In der Nähe von Radhime bleiben wir am Camp Cekodhima stehen. Der Warmwasserboiler für die Dusche wird gleich eingeschaltet und zur inneren Erwärmung bekommen wir einen doppelten Raki. Am nächsten Morgen ist der Himmel blitzblau. Für einen Tag am Strand ist es leider noch zu kalt. Wir trocknen unsere Sachen in der Sonne und fahren dann weiter.
Die Straße schlängelt sich kurvenreich auf 1.000 Meter hinauf, bevor sie dann in endlosen Kehren wieder fast bis zum Meer hinunter führt. Das Fahren ist anstrengend und wir kommen nur langsam voran. Der Pass befindet sich im Llogare Nationalpark, von wo man bis nach Italien sehen kann. Uns fällt auf, dass viele Familien unterwegs sind. Es ist der 14. März – Tag des Sommers – ein Feiertag in Albanien.
In Himare machen wir Pause und bummeln an der Strandpromenade entlang, wo sich Cafés und Restaurants aneinander reihen. Das ist ja wirklich nett, auch wenn noch viele Lokale geschlossen sind. Das Meer plätschert ans Ufer, das mit Palmen und Bäumen gesäumt ist. In einem kleinen Lokal kaufen wir uns Byreqe (Burek). Danach kurven wir weiter. Kurz vor Saranda nehmen wir die Abzweigung zum Blue Eye (Syri Kalter). Die Schotter- und Lehmpiste ist stark ausgewaschen, aber was ein echter Albaner ist, fährt auch hier mit dem Mercedes … Am Ende der Piste befinden sich ein Parkplatz und ein Restaurant. Beim Syri Kalter handelt es sich um die wasserreichste Karstquelle Albaniens. Das tief stehende Sonnenlicht lässt das Blue Eye in den schönsten Blautönen strahlen. Ein bisschen erinnert es an den Morning Glory Pool im Yellowstone NP.
Die Besitzer des Ksamil Caravan Camping, wo wir die Nacht verbringen, sind außerordentlich freundlich und hilfsbereit. Wir können am campeigenen Gasofen kochen. Die Besitzerin pflückt uns einen Strauß Wiesenblumen, weil heute ja der Tag des Sommers ist. Als ich frage, ob es im Ort Ansichtskarten zu kaufen gibt, schenken sie mir 6 Stück vom Vorjahr. Ein Blick in die WC- und Duschanlagen erstaunt uns abermals. Sowas sauberes haben wir schon lange nicht gesehen. Auch die Waschbecken sind überaus liebevoll im Freien angelegt.
Am nächsten Morgen nehmen wir die Straße durch den Butrint Nationalpark nach Griechenland.
Schade, dass es während unserer Tage in Albanien so viel geregnet hat. Das Land hat viel zu bieten und wir hätten uns auch in der kurzen Zeit, die wir zur Verfügung hatten, gerne mehr angesehen. Gutes Essen, schöne Strände und freundliche Menschen haben dazu beigetragen, dass wir uns wohl gefühlt haben. Auch wenn die Armut sichtbar ist und da und dort viel Müll herumliegt.