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In Ananyevo angekommen sind wir etwas ratlos wie wir NABU finden sollen, da das Büro von NABU Kirgistan sich noch nicht gemeldet hat.

Aber im Dorf ist das Projekt den Menschen sicher ein Begriff, daher fragen wir einfach einen Mitarbeiter einer Bank. Wir haben Glück und treffen auf einen Mann, der ein paar Worte Englisch spricht. Er kann uns zwar nicht weiterhelfen, aber ein Polizist weiß darüber Bescheid. Er versucht, jemanden telefonisch zu erreichen, leider erfolglos. Dann schlägt er vor, uns den Weg zu zeigen. Also gut, wir steigen zu dritt in unser Auto – Judith setzt sich in den Kofferraum, das ist ja hier in Kirgistan nicht unüblich.

Als wir bei der richtigen Abzweigung ankommen, erklärt uns der Polizist den weiteren Weg, wir verstehen nur Bruchstücke, dann machen wir kehrt. In Ananyevo lotst er uns zu einem Privathaus mit großem Garten. Es stellt sich heraus, dass der Direktor des NABU Wildgeheges hier wohnt und auch sein Büro hier hat. Als wir ankommen, ist nur seine Tochter daheim und mit der Übersetzungs-App auf ihrem Handy erklären wir ihr unser Anliegen. Genau in dem Moment bekommen wir von NABU aus Bishkek ein Mail, dass wir gerne willkommen sind und uns mit Herrn Urlanbai in Verbindung setzen sollen. Genau vor dessen Haus stehen wir gerade. Wir verabreden mit der Tochter, dass wir abends wieder vorbei schauen, wenn ihr Vater wieder da ist. Der Polizist zeigt uns noch die Abzweigung zum Strand, dann bringen wir ihn zur Bank zurück. Er will für seine Dienste nichts haben. Wolfgang bietet ihm Zigaretten an, die er dankend annimmt. Eine erfreulich positive Erfahrung mit der sonst so korrupten Polizei in Kirgistan.

Den restlichen Tag verbringen wir am Strand. Für 200 Som dürfen wir sogar mit dem Auto an den Strand fahren. Vermutlich ist das der Tarif für Ausländer, aber dafür können wir es uns unter der Markise gemütlich machen. Es gibt sonst keinen Schatten. Was es gibt, das sind Umkleidekabinen und sogar Mülltonnen. Die ersten, die wir in Kirgistan sehen. Vielleicht erklärt das den teuren Eintritt? Wir verdrücken eine Melone und eine Essigwurst und genießen das Strandleben. Kinder vergraben sich im Sand, lassen Drachen steigen, diverse Schönheiten posieren für den perfekten Selfie und es gibt sogar einen Tretbootverleih. Wir fühlen uns eher wie in Italien als in Kirgistan. Die Jurten und Yaks scheinen auf einmal sehr weit entfernt. Unser Auto erregt natürlich Aufmerksamkeit, aber nur ein Junge spricht uns in ganz gutem Englisch an. Er geht zur Highschool und lernt dort Englisch. Die anderen Leute schauen nur oder versuchen es auf Kirgisisch/Russisch. Da müssen wir passen.

Ein Tag am Strand

Am Abend fahren wir wieder zum Haus von Herrn Urlanbai. Er ist noch nicht da, wir warten im Auto auf ihn. Nach einer Weile kommt seine Tochter heraus. Ihr Papa wird heute erst spät nach Hause kommen, aber ihr Bruder könnte uns den Weg zeigen. Judith setzt sich wieder hinten auf den Boden, der Bruder nimmt am Beifahrersitz Platz und los geht’s. Wir fahren etwa eine halbe Stunde auf engen Feldwegen in ein kleines Tal und dann den Berg hinauf. An einem Schranken steht eine Tafel von NABU. Ab hier geht es zu Fuß bergauf. Nach 10 Minuten stehen wir keuchend vor dem Gehege eines Luchses. Der Pfleger führt uns weiter zum Gehege der Schneeleoparden. Leider ist es schon sehr dunkel, sodass wir keine sehr guten Fotos mehr machen können. Die Schneeleoparden kommen sofort interessiert näher. Beeindruckende Tiere. Sie sind deutlich größer als ihre afrikanischen Verwandten. Der Schwanz ist fast so lange wie der Körper.

Neugieriger Schneeleopard bei Nacht

Wir vereinbaren, dass wir morgen Früh wieder kommen. Dann machen wir uns auf den Rückweg.

Beim NABU-Haus in Ananyevo bietet uns die Familie an, in ihrem Garten zu campen. Perfekt! Es gibt sogar ein Plumpsklo in einer Ecke des Gartens, mehr brauchen wir nicht. Kaum dass wir stehen, kommt auch schon Papa Urlanbai nach Hause. Wir besprechen, dass wir morgen früh nochmals hinauf fahren. Um 7 Uhr sind wir wieder beim Gatter, das diesmal offen steht. Wir können uns den schweißtreibenden Aufstieg ersparen. Der Pfleger erwartet uns bereits.

Bei Tageslicht können wir die ganze Anlage überblicken. Zuerst kommen wir wieder zum Luchs-Gehege. Der Luchs versteckt sich, als er uns hört, hinter einem Gebüsch. Nur seinen Kopf können wir ausmachen. Ein wundervolles Tier. Obwohl die Tiere hier hinter Gittern gehalten werden, machen sie einen zufriedenen Eindruck. Vermutlich liegt es daran, dass sich die Gehege in einer artgerechten Umgebung befinden.

Luchs

Danach gehen wir zu den Schneeleoparden weiter. Der NABU betreibt hier das weltweit größte Gehege für Schneeleoparden. Hier leben derzeit drei Schneeleoparden. Das Weibchen Alcu, der Kater Kunak und seine Tochter Kalutschka, die im Jahr 2006 vom Weibchen Bagira geboren wurde. Bagira ist mittlerweile 14-jährig verstorben. Außer Kalutschka wurden alle Schneeleoparden von der Gruppa Bars, einer von NABU betriebenen Anti-Wilderer-Einheit, aus den Händen von Wilderern gerettet, konnten aufgrund ihrer Verletzungen aber nicht mehr ausgewildert werden. Zudem wurden die Tiere bereits als Jungtiere gefangen und hatten keine Gelegenheit mehr, die Jagd von ihrer Mutter zu erlernen. Die Tiere könnten in der freien Wildbahn kaum mehr überleben und würden mit Sicherheit in Konflikte mit Viehhirten geraten.

Ein Teil des Freigeheges

Die Schneeleoparden haben es sich auch bereits im Schatten gemütlich gemacht und sind kaum zu sehen. Über eine Böschung führt ein verwilderter Pfad zu einem kleinen Sitzplatz. Von dort hat man einen guten Blick auf die Gehege. Das größte davon gehört Kalutschka. Sie ist sehr scheu und verdrückt sich sofort ins hohe Gebüsch, wenn jemand kommt. Wir bekommen sie nicht zu Gesicht. In zwei anderen Gehegen befinden sich Kunak, das Männchen, und Alcu, das Weibchen. Kunak ist inzwischen 18 Jahre alt und sieht und hört bereits schlecht. Nachdem wir uns einige Zeit ruhig verhalten, beginnt er herumzustreichen. Alcu bleibt im Gebüsch liegen.

Kunak KunakDas Schneeleoparden-Weibchen Alcu

Neben den Raubtieren werden hier auch Greifvögel gepflegt. Derzeit sind Falken, Mäusebussarde und Steinadler hier. Der Steinadler wurde von Menschen gefangen und hat sich an einer zu engen Leine einen Fuß gebrochen.

Die Station hier ist nur ein kleiner Teil der Arbeit von NABU in Kirgistan. Die Hauptarbeit besteht aus der Bekämpfung der Wilderei durch die Wildhüter-Einheit „Gruppa Bars“, die von NABU betrieben wird und Bildungsarbeit. Im Kara-Kujur-Tal wurde heuer ein Umweltbildungszentrum eröffnet. Wir haben ja selbst gesehen, dass das Bewusstsein für die Umwelt in Kirgistan noch sehr schwach entwickelt ist.

NABU Kirgistan

Wir sind sehr froh, dass es mit der Besichtigung noch geklappt hat. Das ist vermutlich unsere einzige Möglichkeit, einen Schneeleoparden in seiner angestammten Umgebung zu sehen. Beim Frühstück außerhalb des NABU-Geländes mit Blick auf den Issyk Köl lassen wir den phantastischen Morgen noch einmal Revue passieren.