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Seit einiger Zeit haben wir ein Problem mit unserer SIM-Karte und fahren daher in Torbat Heydarieye zu einem Irancell-Shop.

Während wir vor dem verschlossenen Shop warten, spricht uns ein Mann an. Er bringt gerade jemanden zum Flughafen, bietet aber für danach seine Hilfe an. Kurze Zeit später bleibt ein junger Mann stehen und bietet uns ebenfalls seine Hilfe an. Er kennt noch einen anderen Irancell-Shop, der geöffnet hat und Wolfgang fährt mit ihm hin, während ich beim Auto warte. Leider erfolglos, die SIM-Karte funktioniert aus unerklärlichen Gründen nicht mehr. Wir bekommen auch keine neue, weil Ausländer keine bekommen und der Mann seine ID-Karte nicht mit hat. Er will, dass wir bei ihm daheim übernachten und es morgen nochmals versuchen. Inzwischen ist bei mir der andere Mann vom Flughafen zurück. Er wartet mit mir auf Wolfgang und geht dann mit ihm in den inzwischen geöffneten Shop, kann aber auch nichts ausrichten. So kauft der Mann kurzerhand eine neue SIM-Karte auf seinen Namen, allerdings von einer anderen Telefongesellschaft, IR MCI. Es dauert ganz schön lange, bis der Papierkram erledigt ist und am Schluss will der Mann sich die SIM-Karte nicht einmal bezahlen lassen. Wir bestehen darauf, aber scheitern.

Nachdem wir wieder Internet haben, suchen wir uns einen Stellplatz für die Nacht. Im Ort werden wir nicht fündig. Es ist schon spät, daher wollen wir nicht mehr allzu weit fahren. Im Norden des Orts liegt ein Bergzug und dort biegen wir von der Autobahn auf einen Güterweg ab. Er führt zu einem trockenen Flusslauf, wo wir eine ebene Stelle finden.

Die Nacht ist ruhig, erst gegen Morgen fängt ein heftiger Wind an und es fallen sogar ein paar Regentropfen aufs Zeltdach. Hin und wieder hören wir Autos am Güterweg oberhalb von uns vorbeifahren. Kurz nach dem Aufstehen hält ein PKW, zwei Männer steigen aus und grüßen uns. Wolfgang wird mit dem traditionellen Wangenkuss begrüßt. Sie bringen Frühstück mit! Frisches dünnes Fladenbrot, Schafjoghurt und Schafkäse. Wir bieten ihnen unsere Sessel an, Kaffee und Honig. Frischer Schafkäse mit Honig schmeckt einzigartig gut und wird ab jetzt Wolfgangs Leibspeise.

Beim Frühstück

Wir unterhalten uns mit Händen und Füßen, zwei Brocken Englisch und zwei Brocken Farsi, aber so ein Frühstück bedarf nicht vieler Worte. Nach dem Kaffee verabschieden sie sich wieder. Wieder einmal sind wir begeistert von der iranischen Gastfreundschaft.

Gegen halb 10 Uhr verlassen wir unseren Stellplatz, der gestern Abend nur eine wenig attraktive Notlösung war und heute zu einer weiteren netten Episode geführt hat, Richtung Mashhad.

In Mashhad ist viel los, aber den Verkehr sind wir inzwischen gewöhnt. Gerade noch rechtzeitig vor der Mittagspause um 12 Uhr geben wir am turkmenischen Konsulat unsere Pässe ab. Um 16 Uhr stehen wir wieder vor dem Konsulat. Es öffnet pünktlich und eine Minute später haben wir das Visum. Hurra!

Überladen?

Dann machen wir uns auf den Weg hinaus aus Mashhad und suchen uns einen Stellplatz für die Nacht. Ein enges Tal führt zu einem kleinen Dorf. Ein Stück unterhalb des Dorfs biegen wir links ab und parken bei einem Funkmasten. Es ist schon ganz schön kühl hier und wir ziehen am Abend das erste Mal seit langem eine Weste an.

Als wir nächsten Tag gemütlich beim Frühstück sitzen, kommt ein Einheimischer vorbei. Er besitzt am Hang neben unserem Standplatz einen Obstgarten. Nach einer kurzen Begrüßung fährt er wieder weg. Kurze Zeit später kommt er mit einem großen Kübel, der zur Hälfte mit Kirschen gefüllt ist, wieder zurück. Die Kirschen sind natürlich für uns gedacht. Unglaublich, was sollen wir mit so vielen Kirschen tun. Aber alle Gegenwehr ist zwecklos. Die Kirschen gehören uns. Inzwischen hat er herausgefunden, dass wir Englisch sprechen und ruft einen Bekannten in Mashhad an, der Englisch spricht. Sassan, so der Name des Herrn am Telefon, war früher Fußballspieler in Mashhad und Italien, bevor er in den USA seine Ausbildung absolviert hat. Nach dem Telefonat bekommen wir noch einen weiteren halben Kübel mit Weichseln dazu. Jetzt wissen wir endgültig nicht mehr, wohin damit.

Der Spender der Kirschen

Unser nächstes Ziel ist das Heidary Wildlife Refuge. Wir glauben zwar nicht, dass wir Steinböcke oder Geparden sehen werden, aber es ist spannend, in ein Gebiet zu fahren, in dem diese Tiere vorkommen. Weder im Internet noch im Reiserführer steht dazu ein Wort. Da es keine Wegweiser oder ähnliches zum Heidary Wildlife Refuge gibt, versuchen wir auf eigene Faust so weit als möglich in das Gebiet einzudringen. Die Straße wird bald zu einer Schotter- und Lehmpiste. Trotzdem tauchen immer wieder kleine Dörfer auf, die aber mehr und mehr verlassen sind. Zum Teil werden die Plätze jetzt von Nomaden genutzt. Als der Weg das zweite Mal bei einer Nomadensiedlung endet, geben wir auf und suchen uns zwischen zwei Nomadensiedlungen ein halbwegs ebenes Fleckchen. Hier werden wir die nächsten zwei Nächte verbringen.

Verlassenes Dorf mitten im Nirgendwo Unser Stellplatz Abendstimmung Das einzige Wildtier, das wir im Heidary Wildlife Refuge gesehen haben ...

Nächsten Tag ist der Ramadan zu Ende, aber das können wir gar nicht ausnutzen, denn in der Wildnis spielt die Religion ohnehin keine Rolle.

Nach dem Frühstück kochen wir die Weichseln ein. Zuerst entkernen wir sie und entfernen alle Würmer (die wir finden). Dann kochen wir die Früchte, passieren sie durch ein Sieb und kochen sie dann mit Zucker ein. Die Marmelade füllen wir in alle Gläser, die wir haben und ein Tuppergeschirr. Die Marmelade geliert auch ohne Gelierzucker gut, ist blutrot und köstlich.

Frische Kirschenmarmelade

Danach kochen wir die Bohnen, die wir gestern schon eingeweicht haben, für das heutige Abendessen. Nach einer knappen Stunde sind sie weich. Jetzt kommt noch der Reis dran, der gewaschen und eingeweicht werden muss. So vergeht fast ein ganzer Tag nur mit Kochen. Daheim ist das Leben mit Gelierzucker, Bohnen aus der Dose und 10-Minuten-Reis schon viel einfacher.

Nächsten Tag packen wir nach dem Frühstück alles ein und fahren zur letzten Tankstelle vor der Grenze, wo wir einen zusätzlichen Kanister kaufen. In Turkmenistan werden nämlich keine Kanister befüllt und in Usbekistan kein Diesel an Privatpersonen verkauft. Voll betankt fahren wir nach Quchan hinein. Hier wollen wir Besorgungen machen und uns einen gemütlichen Platz für die nächste Nacht suchen.

Wir kaufen frisches Brot und suchen ein Restaurant zum Mittagessen. Da läuft uns eine junge Frau über den Weg, sie begrüßt uns und wir fragen sie, ob sie ein Restaurant kennt. Natürlich kennt sie eines, und sie bringt uns auch gleich persönlich dort hin. Farsane ist Studentin und designt Fliesen für ein italienisches Unternehmen. Wir gehen in eines der besten Restaurants von Quchan. Farsane empfiehlt uns Shishlik und Salat. Dazu gibt es alkoholfreies Bier (das ist auch bald vorbei ;-) Sie spricht nur ein paar Wörter Englisch aber mit dem Google Translator kommen wir ganz gut zurecht.

Judith und Farsane Shishlik

Nach dem Essen verabschieden wir uns von Farsane und setzen uns in den Park, um das Internet zu nutzen.

Dort werden wir gleich von mehreren Leuten angesprochen. Da ist einmal ein Ehepaar, das in der Nähe eine Sprachschule betreibt. Sie haben unser Auto an der Straße entdeckt und uns gesucht, da wir ja nicht weit entfernt sein können. Dann kommt ein junger Mann vorbei, der uns beide (!) mit Handschlag begrüßt. Er ist auf dem Weg ins Fitnessstudio und hätte uns auch seine Telefonnummer gegeben, falls wir Hilfe benötigen. Danach kommt ein Mädchen, das uns mit den Worten „for you“ zwei Softeis in die Hand drückt.

Bevor es dunkel wird, fahren wir aus der Stadt hinaus in die Berge, wo wir uns einen einsamen Stellplatz suchen.

Den letzten Tag im Iran verbringen wir wieder im Stadtzentrum von Quchan. Nachdem wir noch einige Einkäufe getätigt haben, setzen wir uns in den Neshat Park unter einen Baum, essen Kirschen (nicht alle haben wir zu Marmelade verkocht) und nutzen das verbliebene Internetguthaben. Ein Mittedreißiger setzt sich zu uns. Er ist Lehrer und spricht ganz gut Englisch. Wir erzählen ihm, dass es uns im Iran sehr gut gefallen hat, bis auf das Kopftuch. Und wir erklären ihm, dass es in Europa nicht üblich ist, mehrere Freundinnen gleichzeitig zu haben. Die Iranische Jugend scheint gerade von einem Extrem in ein anderes gefallen zu sein, denn wir haben schon in Esfahan gehört, dass es die Jugend mit der Treue nicht so genau nimmt. Obwohl er religiös ist und fastet, ist er mit dem Regime nicht zufrieden. Aber er will dieses unschöne Thema nicht ausbreiten. Nur soviel: Der Iran gibt angeblich mehr Geld für die Kriege im Ausland aus als für die eigene Bevölkerung. Kein Wunder, dass in diesem Land nichts weitergeht.

Am Abend fahren wir näher zur Grenze und suchen uns einen Übernachtungsplatz in einem einsamen Tal. Von hier sind es nur noch wenige Kilometer bis zur turkmenischen Grenze und wir sind etwas angespannt, da der Grenzübertritt morgen sicher einer der kompliziertesten auf unserer Reise sein wird.

Unser "Wecker"