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Seit zwei Wochen befinden wir uns in der Polarnacht. Langsam gewöhnt sich unser Körper daran und schaltet auf Sparflamme. Wir werden träge und müde.

Umso schöner sind die wenigen Stunden, in denen es hell ist. Der Himmel leuchtet dann in ganz unterschiedlichen Farben. Es gibt graue Tage, blaue Tage, türkise Tage, lila Tage, rosa Tage. An einem rosa Tag durch eine tiefverschneite Landschaft zu fahren, ist herrlich. Außerhalb der Polarnacht dauern solche Farbenspiele meist nur wenige Minuten am Abend, in der Polarnacht können wir uns über zwei Stunden daran erfreuen.

Rosa Himmel über weißem Schnee

Rosa Himmel bei Narvik

Je weiter wir nach Süden kommen, desto schwieriger wird die Stellplatzsuche. Es gibt zwar unzählige Plätze, aber leider sind die meisten nur für den Sommer geeignet. Bei Schnee, Matsch und versperrten Toiletten wird die Suche nach einem Stellplatz eine echte Herausforderung. Aber am Ende finden wir jeden Tag einen Platz. Am liebsten sind uns Plätze in der Natur. Umgeben von Wald, vielleicht an einem See, das hat was.

Stellplatz im Mondschein

Besonders in den klaren Nächten sinkt die Temperatur rasch ab. Es ist wohl nicht jedermanns Sache, bei Minusgraden im Freien zu Kochen. Zum Glück funktionieren unsere Benzinkocher bei jeder Temperatur, auch wenn es vielleicht ein paar Minuten länger dauert, bis das Wasser heiß ist. Als wir am kleinen Mørsvikvatnet See übernachten, spüren wir gegen Morgen selbst im Schlafsack die Kälte. In der Früh hat es -13°C. Im Auto sind alle Metallteile von einer dicken Eisschicht überzogen. An den Scheiben wachsen Eisblumen. Der Schnee auf der kleinen Lichtung ist ganz pulvrig. Bevor wir Kaffee kochen können, müssen wir erst das Wasser im Kanister auftauen. Es ist gefroren, obwohl wir es im Auto gelagert haben.

Kochen im Winter

Mit -13°C haben wir vorläufig unsere Schmerzgrenze nach unten erreicht. Da es in der kommenden Nacht noch deutlich kälter werden soll, buchen wir kurzerhand ein Zimmer in Mo i Rana. Die Fahrt dorthin führt an vielen Seen und Fjorden entlang durch ein echtes Winter-Wonderland. Die Bäume tragen dicke Schneemützen, von den Felsen hängen mächtige Eiszapfen. Auf einem Berghang sehen wir einen Elch. Wir haben nicht mehr geglaubt, noch einen zu sehen.

Meterhohe Eiszapfen

Winterwonderland

Elch

Die E 6 führt durch den Saltfjell Nationalpark. Der Wildbach ist fast zur Gänze gefroren. Das Eis schimmert weiß-türkis. Ein Stück weiter sehen wir eine Rentier-Herde am Straßenrand. Mit ihren Vorderhufen graben sie im Schnee nach Gräsern, Moosen und Flechten.

Saltfjell Nationalpark

Rentier auf Nahrungssuche

Rentierherde

Wir sind nicht mehr weit vom Polarkreis entfernt. Nach 16 Tagen verlassen wir die Polarnacht. Das Polarkreiszentrum hat – wie so vieles in Norwegen – geschlossen. So machen wir nur schnell ein Foto, denn das Thermometer fällt weiter und wir können unsere Finger kaum mehr bewegen, so kalt sind sie. Die Landschaft ist wunderschön, sanfte schneebedeckte Hügel soweit das Auge reicht. Die untergehende Sonne malt einen orangenen Streifen an den Horizont, während der Mond aufgeht.

Am Polarkreis

Dämmerung

Im Hotelzimmer in Mo i Rana beschließen wir, unsere Route umzustellen. Zu viele Bergstraßen, Fjorde und Sehenswürdigkeiten sind im Winter gesperrt und unerreichbar. Aus diesem Grund werden die Lofoten, Romsdalen und Bergen von unserer Liste gestrichen.

Unser nächstes Ziel ist Trondheim. Auf dem Weg dorthin stellen wir gleich mal unseren Temperaturrekord ein. Die Straße führt durch ein Tal, das sich in Nord-Süd-Richtung erstreckt. Dort hat es tagsüber -10°C, Tendenz fallend. Das ist zwar wunderschön anzuschauen, weil die Bäume ganz dick mit Reif und Schnee bedeckt und die Bäche zu Eis erstarrt sind. Aber zum Übernachten ist das eher nur die zweitbeste Lösung. Wir biegen von der E6 in Richtung Westen ab, denn an der Küste ist es tendenziell wärmer. An einem Picknickplatz machen wir Halt. Natürlich ist das WC verschlossen und die Picknicktische sind unter einem halben Meter Schnee versteckt. Aber der Parkplatz ist wenigstens geräumt. Bei -6°C stellen wir das Hubdach auf. Es beginnt leicht zu schneien. Gegen 4 Uhr früh werden wir wach. Irgendwie ist es saukalt. Die Zehen erwärmen sich nicht mehr. Aber auch im Gesicht, das zwischen Haube und Schlafsack hervorlugt, beginnt es zu brennen. Gegen 6 Uhr schaltet Judith die Heizung ein und blickt aufs Thermometer: -18°C! Der Schneefall hat aufgehört und der Himmel ist sternenklar. Beim Frühstück hat es „nur“ noch -15°C. Nachdem wir das Eis aufgetaut haben, kochen wir Kaffee und Tee. Die Fensterscheiben sind innen mit dicken Eisblumen verziert. Die Zeltplane ist ganz steif und raschelt wie Papier. Wintercamping im Defender ist definitiv nichts für Warmduscher.

Eisblumen auf der Windschutzscheibe

In Trondheim übernachten wir bei einem kleinen See, der etwas außerhalb liegt. Von dort fahren wir mit der Tram ins Stadtzentrum. Die Tickets können wir wieder über eine App online kaufen – sehr praktisch. Die Straßenbahn bringt uns direkt zum Torget, dem Hauptplatz Trondheims. In der Mitte des Platzes steht eine Säule mit einer Statue von Olav Tryggavson, der die Stadt 997 gründete. Leider ist der Platz derzeit eine große Baustelle und kann nicht betreten werden. Am Boden sehen wir, dass unter der Pflasterung tatsächlich eine Fußbodenheizung verlegt werden. Tja, in einem reichen Ölstaat ist nichts unmöglich.

Olav Tryggavson, der Gründer von Trondheim

Fußbodenheizung am Stadtplatz !?

Wir bummeln an den Nidelv, an dessen Ufer gut erhaltene und restaurierte Speicherhäuser liegen, in denen sich heute Wohnungen, Büros, Geschäfte und Restaurants befinden. Hinter den großen Speicherhäusern beginnt der Stadtteil Bakklandet. Hier reihen sich kleine, bunte Holzhäuschen aneinander, die sehr liebevoll gestaltet sind. In den Fenstern stehen Weihnachtsbeleuchtungen oder nette Lampenschirme, die Türen sind geschmackvoll geschmückt und an den Eingängen stehen Gestecke. In der Brubakken Straße geht es steil aufwärts, deshalb hat die Stadt Trondheim für die Bewohner einen Fahrradlift installiert. Wir gehen bis zur Kristiansten Festung und genießen den Ausblick auf die Stadt.

Speicherhäuser

In jedem Fenster brennt Licht

Kristiansten Festung

Auf dem Rückweg stärken wir uns in Bakklandet bei Kaffee und Kuchen. Von dort gehen wir zum Nidaros Dom, der durch seine Größe beeindruckt. Wir müssen uns mit der Außenansicht begnügen, denn im Winter ist er am Nachmittag geschlossen. Bevor wir mit der Straßenbahn wieder zurück zum Stellplatz fahren, bummeln wir durch den Weihnachtsmarkt von Trondheim. Während in Österreich die Märkte jedes Jahr früher auf- und später zusperren, läuft der Weihnachtsmarkt in Trondheim nur vom 7. bis 19. Dezember. Eine Woche vor Weihnachten ist hier schon echte Weihnachtsruhe eingekehrt.

Nidaros Dom

Weihnachtsmarkt