Um uns ein bisschen von den langen Fahrtagen zu erholen, beschließen wir, der Stadt Kasan einen zweitägigen Besuch abzustatten. Kasan ist die Hauptstadt der unabhängigen Republik Tatarstan. Wir buchen uns ein Zimmer mit Bad in einem kleinen Hostel.
Nächsten Tag bummeln wir durch die Fußgängerzone zum Kreml. Plötzlich hören wir lauten Flugzeuglärm. Ein roter Düsenjet fliegt ganz tief über die Stadt und zieht seine Kreise. Eine Flugshow? Keine Ahnung...
Die Besichtigung des Kremls, der auf einem Hügel über der Stadt liegt, ist frei, lediglich ein paar Museen sind kostenpflichtig, aber die lassen wir bleiben. Etwas unterhalb der Kremlmauer gibt es einen großen „Kasan“-Schriftzug, der ein beliebtes Fotomotiv darstellt, und so machen auch wir hier den obligatorischen Selfie. Da erst erkennen wir, dass Kasan ein Austragungsort der Fußball-WM 2018 war. Und wir haben uns schon gewundert, dass die ganze Innenstadt so schön renoviert ist …
Der Kreml ist wirklich interessant, denn er ist der einzige, der neben der orthodoxen Maria-Verkündigungs-Kathedrale auch eine Moschee beherbergt. Die Kul-Scharif- Moschee wurde 2005 fertiggestellt. Man merkt, dass diese Moschee nicht nur ein Gebetshaus ist, sondern auch eine touristische Sehenswürdigkeit. Die Bekleidungsvorschriften für Frauen werden deutlich lockerer ausgelegt als zB in der Türkei oder gar im Iran. Der Gebetsraum ist durch ein Geschoß vom Eingangsbereich getrennt und für Touristen gesperrt. Diese können jedoch über eine Stiege auf den Balkon hinauf steigen, von wo man einen wunderbaren Blick in die Kuppel und auf den Gebetsraum hat.
Innerhalb der weißgetünchten Kremlmauer liegt auch der Gouverneurspalast. Die Republik Tatarstan hat natürlich einen eigenen Gouverneur, der in einem sehr repräsentativen Bau untergebracht ist.
Mit dem daneben stehenden Sujumbike-Turm ist eine romantische, oder besser gesagt, tragische Legende verbunden. Als Iwan der Schreckliche die Stadt eroberte, wollte er die dort ansässige Prinzessin heiraten. Diese wollte den grausamen Herrscher jedoch nicht heiraten, ging aber unter der Bedingung darauf ein, dass er vorher einen Turm baut, der so hoch ist wie sonst kein Gebäude. Als der Turm fertig war, ging sie hinauf und stürzte sich in den Tod.
Wir verlassen den Kreml durch das Erlöser-Tor und gehen hinunter ans Ufer der Kasanka, weil uns dort ein eindrucksvolles Gebäude auffällt. Es handelt sich um ein Ministerium. In der Mitte des gewölbten Gebäudes steht ein Relief eines Baums, das sich über die ganze Gebäudehöhe zieht. Dahinter sind Spiegel angebracht, sodass man hinter dem Baum nicht die Hauswand, sondern den Himmel sehen kann. Toll!
Am anderen Ufer der Kasanka findet anscheinend eine Veranstaltung statt. Es sind viele Menschen dort und wir können einen Hubschrauber beobachten, von dem sich Soldaten abseilen. Außerdem haben wir vorher schon von der Ferne Fallschirmspringer gesehen, die dort gelandet sind. Wir bemerken, dass sich am Ufer immer mehr Menschen versammeln. Wie aus dem Nichts tauchen zwei alte einmotorige Flugzeuge auf, die ein paar Kunstflugmanöver fliegen. Danach kommt ein Düsenjet, der rote, den wir schon am Vormittag gesehen haben. Er fliegt ganz tief und in engen Kurven über dem Fluss, über die Stadt und über uns hinweg. Es grummelt in unserer Magengrube! Als er sich wieder entfernt, kommen vier Jets in der gleichen Lackierung im Formationsflug daher. Auch sie zeigen ein schönes Programm an Kunstflugmanövern. Wir sind ganz baff. Die Jets fliegen sehr knapp über uns und vor allem fliegen sie zur Gänze über Stadtgebiet. In Russland stört das anscheinend niemanden. Als die Flugshow vorbei ist, zerstreuen sich die Zuschauer schnell. Erst jetzt fällt uns auf, dass selbst die Autofahrer einfach am Straßenrand stehen geblieben sind, um zuzusehen. Von einem Mitarbeiter in unserem Hostel erfahren wir, dass es sich wohl um eine Werbeveranstaltung für das russische Heer gehandelt hat. Tja, da kann sich das österreichische Bundesheer eine Scheibe abschneiden.
Zum Abendessen wollen wir die echte tatarische Küche probieren. Das Dom Chaya ist eine Kantine, die vor allem von Einheimischen besucht wird. Also genau das richtige. Wir deuten auf verschiedene Teigtaschen (z.B. Etschpotschmak), die mit Fleisch, Kartoffeln, Käse oder einer Mischung daraus gefüllt sind. Zu den großen Teigtaschen, sie heißen Gubad’ya, gibt es eine leichte Dillsuppe, die man dazu löffelt. Die Damen hinter der Theke sind auch echte Originale, gekleidet in rot-weißen Küchenschürzen. Genauso stellt man sich Russische Kantineurinnen vor.