Nun geht’s weiter Richtung Osten entlang der D360, die bald neu und 4-spurig ausgebaut sein wird. Wir überqueren eine hochmoderne Brücke, die bereits fertig ist, mitten im Nirgendwo an einer beeindruckenden Schlucht.
Je weiter wir nach Osten kommen, desto mehr fallen wir auf. Tragen doch hier noch viele Männer Pluderhosen und haben das typisch kurdische Tuch am Kopf. Alle drehen sich nach uns um. Doch wird uns stets freundlich zugewunken. Die Landschaft wird flacher, obwohl wir uns immer noch auf über 1.000 m Seehöhe befinden.
Ca. 50 km vor Bitlis wird die Straße ziemlich schlecht. Der Asphalt ist rau, es gibt viele Bodenwellen und Schlaglöcher. Noch dazu kommen wir in ein Gewitter und das Wasser steht auf der Straße. Es wird zwar fleißig am Ausbau gearbeitet, aber noch ist die Straße nur abschnittsweise fertig. Manchmal schlängelt sich die Straße nur ganz eng durchs Gebirge. Die ersten Iranischen LKWs, die wir sehen, sind schwer beladen unterwegs und halten immer wieder den Verkehr auf. Die waghalsigen Überholmanöver der Türken machen das Fahren auch nicht einfacher. Als die Straße endlich wieder etwas besser ist, entdecken wir am Straßenrand Honigverkäufer und da bleiben wir gleich stehen und kaufen ein Glas.
Kurz vor Tatvan überholen wir einen grünen Deutschen VW-Bus mit Fahrrad hinten drauf. Den haben wir auf dem Weg nach Kappadokien schon mal getroffen. Wir hupen und winken uns kurz zu, dann biegen wir nach Tatvan ab, während der VW-Bus weiterfährt. Heute gönnen wir uns ein Hotel, denn die Campingplatzdichte nimmt ab, je weiter wir nach Osten kommen. Da die Temperaturen und das Wetter sehr bescheiden sind, können wir auch unsere Solardusche nicht verwenden. Bevor wir jedoch im Tasar Royal Hotel einchecken, fahren wir an den Van See und suchen uns ein Picknick Plätzchen, wo wir noch einen Teil unseres Schweinefleisch-Vorrats vertilgen (Kaminwurzerl und Prsut), samt Schaf- Kuh-Ziegenkäse, Tomaten, Gurke und Oliven. Es bläst ein eisiger Wind und wir sind froh, als wir wieder im Auto sitzen.
In 5 Minuten sind wir beim Hotel Tasar Royal und checken ein. Der Portier schaut nicht schlecht, als wir mit einem Rucksack und einem Plastiksackerl ankommen. Wolfgang parkt das Auto am abgesperrten Hotelparkplatz und dann geht’s ab in die wohlige Dusche.
Tasar Royal Hotel hört sich royaler an, als es tatsächlich ist. Das W-Lan geht nicht, die Klimaanlage funktioniert nicht und wir haben nur ein Handtuch. Das Frühstück ist die nächste Enttäuschung. Als wir um dreiviertel 9 Uhr in den Speisesaal kommen ist das Buffet so gut wie leer geräumt. Außer einer Auswahl an Oliven und Schafkäse gibt es so gut wie nichts mehr. Auch auf unseren Hinweis, dass die Behälter und Teller leer sind, kommt nichts nach. Auch ein paar türkische Gäste beschweren sich offensichtlich beim Kellner, doch erfolglos. Dass es nicht mal mehr Brot gibt ist schon ärgerlich. Beim Auschecken will dann der Rezeptionist von mir noch den Zimmerpreis kassieren. Das Bestätigungsmail von booking.com, in dem groß „Paid“ steht, akzeptiert er nicht. So hole ich den Laptop, auf dem wir auch die türkische Bestätigung abgespeichert haben. Als er auch diese nicht akzeptieren will, deute ich auf das rot fettgedruckte türkische Wort für bezahlt und erkläre ihm, dass er sein Internet mal reparieren soll, dann wird er unsere Zahlung sehen.
Etwas verärgert verlassen wir den Parkplatz und Wolfgang parkt an der Hauptstraße in zweiter Spur, während ich noch schnell in einen Supermarkt gehe und Zutaten für einen Nudelsalat und etwas Obst einkaufe. Der Supermarkt-Chef ist grad beim Frühstück mit seiner Familie und hätte mich dazu eingeladen. Das wäre mit Sichheit besser gewesen, als das Hotelfrühstück.
Dann fahren wir raus aus Tatvan und rauf auf den Nemrut Daǧi, einem erloschenen Vulkan. Liegt Tatvan schon auf 1.700 m Seehöhe, so geht’s bis zum Kraterrand auf 2.500 m hinauf. Am höchsten Punkt gibt’s noch einen Aussichtspunkt, mit gutem Blick über den Van See, bevor wir in den Krater hinunter fahren.
Wir fahren bis zum großen Kratersee, wo wir das Auto parken. Daneben geht ein Wanderweg los und wir beschließen ein Stück zu gehen, um den Kratersee aus einer anderen Perspektive zu sehen.
Es sind einige Leute unterwegs, die den Wanderweg verlassen und die steile Kraterwand hinaufklettern. Es scheint, dass sie nach etwas suchen. Besonders zwei Männer fallen uns auf. Als sich diese an den Abstieg machen, verlangsamen wir unser Tempo, denn ich will unbedingt wissen was sie da gefunden haben. Es zeigt sich, dass sie drei riesige Schwammerl gefunden haben, die sie Manta nennen und sie laden uns spontan zum Tee ein. Wir sagen prompt zu.
Retour bei den Autos suchen die zwei ihre Freunde und wir denken, dass wir dann mit ihnen in das kleine Teehaus am Parkplatz gehen, aber falsch gedacht. Aus der Einladung zum Tee wird nämlich eine 5-stündige Grillerei. Als wir ihre Freunde finden, sind die schon fleißig am Feuer machen. Es gibt Köfte in Hülle und Fülle mit Fladenbrot, Zwiebel-Tomaten-Paprika-Salat, gegrillte rote und grüne Paprika und Zwiebeln. Es ist herrlich. Sie verwöhnen uns von hinten bis vorne. Einer der Männer kann halbwegs Englisch und er erzählt uns, dass sie das jeden Sonntag machen. Sie seien tlw. Kollegen (von der Post) und Freunde. Der Grillchef schaut furchteinflößend aus, aber er ist der ruhigere und zurückhaltendste von allen. Sie zeigen uns Fotos ihrer Kinder und Familien am Handy und wir tun es ihnen gleich. Trotz Verständigungsschwierigkeiten ist es ein sehr amüsanter Nachmittag und wir genießen die kurdische Gastfreundschaft sehr. Als wir beim Tee ankommen (wir trinken ihn natürlich auf kurdische Art: Beim Würfelzucker klein abbeißen und dann einen Schluck Tee dazu. Sehr süß!), servieren wir ihnen im Gegenzug eine Packung Mannerwafferl. Einer der Männer ist skeptisch, ob das auch halal ist und wir übersetzen ihm am Handy die Zutatenliste – puhh Schwein gehabt, kein Schwein drinnen! Den ganzen Nachmittag trinken die Männer zum deftig gegrillten Köfte lediglich Wasser und Tee. So eine Grillerei würd es bei uns nie geben – so gar kein Bier….
Als es schon später Nachmittag ist, verabschieden wir uns herzlich von unseren kurdischen Freunden und suchen uns einen Stellplatz für die Nacht. Wir fahren an den kleinen Kratersee und etwas abseits der Hauptpiste schlagen wir unser Zelt auf.
Der Vollmond geht hinter dem Kraterrand auf und die Sterne funkeln. Es weht ein eisiger Wind. Um 19 Uhr haben wir 7 Grad. Wir sind eben auf 2.300 m Seehöhe.
Nächsten Tag geht’s weiter am Südufer des Van Sees entlang bis Gevaş, wo wir am Campingplatz Grand Deniz einchecken. Plötzlich wird es laut auf der Straße, Autos hupen – eine Hochzeit. Die Autos biegen zu uns ein, denn der Campingplatz gehört zu einem Restaurant, auf deren Terrasse, die direkt am Seeufer liegt, der Hochzeitsempfang stattfindet. Es ist eine kleine Gesellschaft und es sind einige Soldaten darunter. Die Braut trägt weiß, aber am Kopf hat sie ein kurdisches Tuch und auch das Kleid ist nicht so ausladend, wie wir das schon bei anderen Bräuten gesehen haben. Nach ein paar Klängen Musik aus einem Autoradio wird der Hochzeitskuchen angeschnitten. Ein paar Kinder, die gleich zu unserem Auto gelaufen sind, fragen uns, ob wir auch einen Kuchen haben wollen. Und tatsächlich wird uns ein Stück der Hochzeitstorte serviert. Sehr nett! Nach dem Empfang rauscht die Hochzeitsgesellschaft wieder ab und das Restaurant ist wieder leer.
Am nächsten Nachmittag machen wir eine Bootstour zur Akdamar Insel. Schon zu Mittag ist der Parkplatz vor dem Restaurant voll, weil viele Leute zur Insel hinaus fahren wollen. Es ist der 1. Mai und das Wetter ist perfekt für einen Feiertagsausflug.
An Board werden wir von einigen Einheimischen angesprochen und wir unterhalten uns sehr nett mit ihnen. Wir merken schon, dass die Kurden sehr gerne Kontakt mit Touristen aufnehmen. Das ist vermutlich ein Vorgeschmack auf den Iran.
Auf der Insel steht eine Kirche, die schon über 1000 Jahre alt ist. Außen auf der Fassade sind Reliefs angebracht, die Heilige, profane Darstellungen und Bilder aus der Bibel darstellen. Die Kirche wurde von Armeniern errichtet, als diese hier noch lebten. 1914/15 wurden sie ja aus der Türkei vertrieben und von 1,2 Mio Vertriebenen sind 1,0 Mio zu Tode gekommen – der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts (der von der Türkei offiziell nie als solcher anerkannt wurde).
Wir sehen uns die Kirche innen an und wandern einmal rundherum. Da hören wir ein Schiff tuten und fragen uns, ob das unseres ist. Die Frage erübrigt sich schnell, als wir die schwarzen Gewitterwolken sehen, die im Anmarsch sind. Es herrscht allgemeine Aufbruchsstimmung und alle Picknickdecken werden zusammengepackt. Am Steg ist das Gedränge ist groß. Wir bekommen nur noch einen Stehplatz, aber unter Deck, was sich bei dem Regen als Vorteil erweist.