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Wir nehmen von Koppadokien Abschied. Gut 500 Kilometer trennen uns vom nächsten Etappenziel, dem Nemrut Dagi National Park.

Endlose Straße im anatolischen Hochland

Als wir kurz nach Malatya von der Hauptstraße abbiegen, wird die Straße rasch bergig, kurvig und schmal. Zwischendurch fragen wir uns mehrmals, ob das wirklich die richtige Straße ist. Wir rechnen damit, jeden Augenblick in einer Sackgasse zu stehen oder in einem Dorf, wo es nicht mehr weitergeht.

Bergstraßen - gepflastert!

Aber der Weg stimmt. Kurz vor dem Gipfel des Nemrut Dagi, neben dem geschlossenen Sunrise Hotel, ist die Straße abgesperrt und so biegen wir auf den Parkplatz. Schon kommt uns ein Mann entgegen. Wir sagen ihm, dass wir erst morgen früh rauffahren wollen und er meint gleich: Camping here ok. Also parken wir das Auto und beginnen zu kochen. Wir sind gerade mittendrin, als von oben ein Bus mit türkischen Touristen (ein reiner Männerausflug) herunterkommt und sie hier aussteigen lässt. Sie kommen auf uns zu, bestaunen unser Auto und wir wechseln ein paar Worte, soweit es die Sprachkenntnisse zulassen. Die Männer bekommen Tee serviert und wir bekommen auch einen. Als es dunkel wird, kommen die letzten Fahrzeuge herunter und unser Essen ist fertig. Wir setzen uns ins Auto, denn draußen ist es schon ganz schön kalt. Der Melanzani-Eintopf schmeckt wie immer gut.

Nationalparkzentrum und Sunrise Hotel

Nächsten Tag läutet um 4:40 der Wecker, weil wir zum Sonnenaufgang auf dem Berg sein wollen. Wir packen nur rasch zusammen und fahren die Straße hinauf. Die Schotterstraße ist steil und die Serpentinen führen die letzten 200 Höhenmeter auf 2.100 m Seehöhe hinauf. Knapp unterhalb des Gipfels endet die Straße. Leider ist es heute bewölkt, sodass kein schöner Sonnenaufgang zu sehen ist. Aber das Licht ist gut und als wir vor den großen Statuen stehen, sind wir sehr beeindruckt.

Nemrut Dagi, Ostterrasse

Errichtet wurde die gesamte Anlage von Antiochus I. um 50 v.Chr. Sie besteht aus einem großen Plateau, auf dem ein künstlicher Gipfel in Form eines Geröllkegels errichtet wurde. Auf der Ost- und Westseite befinden sich Plattformen mit Statuen. Die rund 8 bis 9 Meter hohen Körper und die nochmals 2 bis 3 Meter großen Köpfe stellen Zeus, Apollo, Herakles, Commagene und Antiochus selbst dar. Flankiert werden sie von Adlern und Löwen. Die Köpfe sind durch ein Erdbeben von den Körpern heruntergefallen, aber noch weitgehend intakt. Man vermutet, dass sich unter dem Geröllkegel das Grab von Antiochus I. und mehrerer Frauen befindet. Genau weiß man das allerdings nicht.

Apollo, Herakles (vlnr) König Antiochos, Commagene (im Hintergrund ;-)

Heute Früh sind nur ein dutzend Touristen hier und wir sind offenbar die einzigen Ausländer. Bis zum Sonnenaufgang stehen alle auf der Ostseite, da dort natürlich das Licht am besten ist. Danach gehen wir zur Westseite. Dort sind die Köpfe besser erhalten, aber dafür die Körper schon stark verwittert. Wenn man bedenkt, dass hier im Winter mehrere Monate lang Schnee liegt, ist es schon erstaunlich, dass die Statuen die 2.000 Jahre so gut überstanden haben. Vermutlich liegt es auch daran, dass sie lange vergessen waren und niemanden interessiert haben. Außer ein paar Schafhirten ist wohl über Jahrhunderte niemand hier herauf gekommen.

Westterrasse

Nach der Besichtigung fahren wir wieder hinunter zum Gate und zahlen den Eintritt von 5 TL pP.

An der Südseite des Berges gibt es noch andere Sehenswürdigkeiten. Leider gibt es keine direkte Verbindung zwischen der Nordseite, auf der wir hinaufgefahren sind, und der Südseite, auf der die meisten Touristen hinauffahren (weil die meisten von der Küste kommen). Also müssen wir ein paar Kilometer hinunter fahren und dann den Berg umrunden. Nach etwa 20 km kommen wir nach Kocahisar. Dort steht eine alte Burg (Yeni Kale, „New Castle“), die seit 14 Jahren renoviert wird. Der Besitzer des Restaurants Rome, bei dem wir einen kurdischen Kaffee (Menengiҫ, aus wilden Pistazien) trinken, hofft, dass es in ein oder zwei Jahren eröffnet wird. Dann bleiben die Touristen hoffentlich länger im Ort als nur für ein Foto.

Yeni Kale

Gleich außerhalb von Kocahisar steht die Seldjuk Brücke. Wir machen einen kurzen Fotostopp und fahren dann weiter nach Arsameia (Arsemia). Die antike Stadt Arsemia wurde von Arsames, einem Vorfahren von König Antiochos I. um 300 v.Chr. besiedelt und war sein Sommersitz. Besonders eindrucksvoll ist ein Relief von Herakles und König Antiochos, die sich die Hand reichen. Als wir zum Auto zurückgehen, werden wir vom Parkwächter auf einen Ҫay eingeladen. Wir unterhalten uns so gut es geht mit ihm und haben den Eindruck, dass er froh ist über jede Unterhaltung bei seinem eher einsamen Beruf, denn Touristen kommen nicht sehr viele hierher, und schon gar keine europäischen.

Seldjuk Brücke Relief von Apollo Herakles und König Antiochos

Wir fahren weiter ins Tal hinunter und kommen an der Cendere Brücke vorbei, einer römischen Brücke aus dem 2. Jh. v.Chr., die zu Ehren von Kaiser Septimius Severus errichtet wurde.

Römische Brücke Römische Brücke

Links und rechts der Straße sehen wir jetzt immer mehr Kornfelder, die schon hellgelb leuchten. Die Landschaft gefällt uns sehr gut.

Kornfelder

Unser letzter Stopp für heute ist Karakuş Tumulus. Dieses Grabmonument wurde im 1. Jh. v.Chr. errichtet und ist ein Grab der Königsfamilie von Commagene. Ähnlich wie am Nemrut Dagi wurde ein großer Hügel aus Steinen geformt und Säulen herum errichtet. Auf den Säulen waren Adler, Löwen und Stiere zu sehen, weiters ein Relief von König Mithradates II. der seiner Schwester Laodike die Hand reicht.

Karakuş Tumulus

Wir gehen schon wieder zum Auto zurück, da ruft uns der alte Mann, der das kleine Café hier betreibt, nach, dass Camping möglich sei. Wir überlegen kurz und beschließen, hier zu bleiben. Da wir schon früh aufgestanden sind, werden wir den restlichen Tag hier ausspannen.

Nevzat, so heißt der Besitzer des Cafés, ist ein sehr freundlicher älterer Herr. Er lädt uns gleich auf Ҫay ein und wir setzen uns bei ihm in das gemütliche Lokal. Wir unterhalten uns so gut es geht (Wolfgang installiert ihm auf seinem Handy den Google Translator) und nachdem wir meinen, dass sehr wenige Touristen unterwegs seien, meint er, dass das um 14 Uhr anders wird. Und genau so ist es. Zw. 14 Uhr und 17 Uhr geht es hier ganz schön rund. Eine Menge Minibusse halten hier, vorwiegend Damenrunden und das Geschnatter ist dementsprechend laut. Einige Fahrer der Minibusse sind sehr an unserem Auto interessiert. Manche können etwas englisch und unterhalten sich mit uns. Einer fragt uns, ob wie Forscher oder Archäologen wären. Wir beobachten das Geschehen und Wolfgang sortiert nebenbei einige Fotos aus. Als nach 17 Uhr Ruhe einkehrt, zeigt uns Nevzat, dass wir uns nun auf den Hauptparkplatz stellen können, gleich neben einer Picknick-Bank und dem Abgang zum WC. Wir beginnen zu kochen und er schaut ganz neugierig in unseren Topf. Da kommt ein Privat-PKW mit einer Familie. Der Vater kann gut Englisch und wir unterhalten uns mit ihm. Er erzählt, dass er beim türkischen Zoll an der irakischen Grenze arbeitet und hin und wieder mit Frau und Kindern hier her kommt. Er übersetzt auch ein bisschen für Nevzat und beide inspizieren neugierig unser Auto. Als unser Hühner-Curry fertig ist, bieten wir Nevzat eine Kostprobe an. Er kostet eher skeptisch. Später packt er sein Geschirr zusammen und fährt in den nächsten Ort, um sein Abendessen zu holen. Er überlässt uns sein Lokal völlig offen.

Als er zurückkommt, hat er eine Menge eingekauft. Natürlich bietet er uns an mitzuessen, und wir kosten höflichkeitshalber. Er hat Reis, einen Fleischeintopf (es stellt sich heraus, dass es Lunge ist – von welchem Tier fragen wir nicht), dazu so was Ähnliches wie Tzatziki, nur flüssiger und auf Schaf/Ziegenbasis und als Dessert Künefe. Ich bin verzückt. Es schmeckt ausgezeichnet und es scheint, dass Nevzat zufrieden ist, dass es uns so schmeckt. Im Gegenzug verputzt er einige unserer Turkish Delights. Es scheint, dass er fast etwas traurig ist, dass wir schon zeitig zu Bett gehen. Aber wir erklären ihm, dass wir seit 4 Uhr Früh auf den Beinen sind.

Unser Gastgeber Nevzat

Während wir nächsten Morgen unser Frühstück genießen, kommen auch schon die ersten Touristen vom Nemrut Dagi retour. Wir unterhalten uns länger mit einem Fahrer einer Privattour, der sehr gut Englisch spricht. Er fragt, wohin wir weiterfahren und gibt uns einige Tipps für unsere restliche Strecke in der Türkei. Wir breiten die Landkarte aus und er zeigt uns die Punkte samt dazugehörigen Fotos auf seinem Handy. Nach einem letzten Ҫay machen wir mit Nevzat, der mittlerweile vom Trainingsanzug in sein Sakko geschlüpft ist, noch Abschiedsfotos. Er drückt mich ganz fest und küsst mich auf die Wange. Von Wolfgang verabschiedet er sich mit dem unter Männern üblichen Abschiedsgruß mit den zusammengesteckten Köpfen. Es ist eine herzliche Verabschiedung und wir winken ihm noch nach, als wir seinen Parkplatz verlassen.