Unser Abenteuer „Nordkap im Dezember“ geht weiter. Wir überqueren die Grenze nach Norwegen, die sich nicht anders anfühlt als jede andere Schengen-Binnengrenze.
Trotzdem konnten wir nur einen kleinen Vorrat alkoholischer Getränke mitnehmen, denn Norwegen ist kein EU-Mitglied und bei Alkohol nicht nur teuer (rund 3,50 Euro für 0,5 l Bier im Supermarkt, 10 Euro im Restaurant), sondern auch sehr streng was den Import anlangt.
Wir tauchen ein in die Polarnacht und verabschieden uns von der Sonne, die wir in den nächsten Wochen nicht mehr sehen, sondern nur unter dem Horizont erahnen können. Nun kommt auch unser natürlicher Stimmungsaufheller zum Einsatz. Wir haben in Kasachstan Johanniskrautblüten gesammelt und mit Kyzylzhar „Legend of Kazakhstan“ Vodka angesetzt. Jetzt ist die Zeit gekommen, das Produkt in kleinen Dosen zu genießen.
Je weiter wir nach Norden kommen, desto größer sind die Chancen, das Nordlicht zu sehen – sofern das Wetter mitspielt und der Himmel klar ist. Da die Wettervorhersage für Alta gutes Wetter meldet, nehmen wir Kurs auf Alta und finden etwa 40 km entfernt einen Stellplatz. Die letzten 300 m fahren wir durch tiefen Schnee, bis wir direkt an der Klippe eines Fjords stehen. Hier ist es wunderschön.
Während wir kochen, entdecken wir schon die ersten Nordlichter. Dabei ist es erst 16 Uhr (aber schon stockdunkel). Fast vergessen wir aufs Kochen, weil wir so fasziniert sind. Einmal leuchtet das Nordlicht so hell, dass wir die Berge am anderen Ende des Fjords erkennen können. Es ist beeindruckend. Natürlich bleiben wir zum Essen im Freien, um die Nordlichter weiter zu beobachten. Es fühlt sich ein wenig an wie auf der Terrasse einer Schihütte.
Gegen 1 Uhr Früh ändert sich das Licht. Es sind nun keine grünlich schimmernden Bänder, sondern nebelartige Flächen, die in Sekundenschnelle auftauchen und auch gleich wieder verschwinden. Als ob man auf eine kalte Glasscheibe haucht. Sehr mystisch!
Auch auf dem Weg nach Hammerfest sehen wir das Nordlicht. Die grünen Bänder ziehen von einem Horizont zum anderen. Selbst Einheimische bleiben auf Parkplätzen und Ausweichen stehen, um das Naturschauspiel zu bewundern. Leider bläst ein heftiger Wind und für die nächsten Tage gibt es sogar Sturmwarnung an der Küste.
In Hammerfest stellen wir unseren Elefanten am Camper-Parkplatz ab. Bezahlt wird die Campinggebühr am Parkautomaten, dafür gibt es einen Stromanschluss und die Dusche befindet sich neben der Tourist-Info direkt am Hafen. In der Tourist-Info hat der Eisbärenklub (Isbjørnklubben) eine kleine Ausstellung eingerichtet. Es gibt Präparate der arktischen Bewohner zu bestaunen (Eisbären, Polarfüchse, Robben und Seehunde). Außerdem werden Informationstafeln über die Anfänge der Besiedlung der arktischen Gebiete gezeigt, über den Robbenfang, Walfang, usw. Ein berühmter Bürger von Hammerfest war Adolf Henrik Lindstrøm. Er war auf vielen Polarexpeditionen der Koch und hat unter anderem mit Roald Amundsen im Jahr 1911 den Südpol erobert. Sein bekanntestes Rezept ist Biff a la Lindsdtröm, ein sehr gehaltvoller Eintopf mit Fleisch, Eigelb, Obers, Kartoffeln, Roten Rüben, Zwiebeln und Kapern.
Auf der Suche nach dem Nordlicht haben wir immer ein Auge auf den Wetterbericht. Dieser kündigt die nächste sternenklare Nacht erst in ein paar Tagen an. Wir werden uns daher mit der Fahrt zum Nordkap noch ein wenig gedulden. In der Zwischenzeit unternehmen wir einen Ausflug mit den Hurtigruten nach Honningsvåg. Die Hurtigruten unterhalten eine tägliche Schiffsverbindung in Nord- und in Südrichtung. Die komplette Reise Bergen – Kirkenes – Bergen dauert 12 Tage, aber man kann auch nur von Hafen zu Hafen fahren. Wir sind fünf Stunden unterwegs. Die MS Spitsbergen läuft in Hammerfest um 6 Uhr früh aus.
Erst gegen 10 Uhr beginnt die Dämmerung. Die Stimmung an Bord ist ruhig, aber auch neugierig gespannt. Für die Mehrtages-Gäste an Bord steht ein Höhepunkt der Reise bevor, sie werden von Honningsvåg aus mit dem Bus zum Nordkap fahren. Wir genießen die Schiffsfahrt sehr. Nach einem kurzen Bummel durch Honningsvåg fahren wir mit dem Bus wieder zurück nach Hammerfest.
Auf dem Weg nach Norden ist das Wetter schlecht. Regen, dunkle Wolken und heftiger Wind. Es ist Sturmwarnung ausgegeben, 19 m/s Wind. Wir machen uns Sorgen um die Zeltplanen des Hubdachs und lassen das Zelt am Abend geschlossen. Unsere erste Nacht „im“ Auto, auf dem Notschlafplatz. Es ist unglaublich eng und wir haben Mühe, unsere Schlafsäcke auszubreiten. Gemütlich sieht anders aus. Aber wir sind froh, dass das Auto jetzt mit geschlossenem Dach durchgerüttelt wird.
Erst am Morgen lässt der Wind nach. Das erste Mal seit Tagen ist es fast wolkenlos und wir sehen einen orangen Streifen am Horizont. Auf zum Nordkap!
Wir fahren auf der kurvigen Straße an Fjorden entlang bis zum großen Tunnel, der unter dem Meer auf die Insel Magerøya führt. Die Straße ist von einer dicken Eisschicht überzogen, aber rau und griffig. Die Räumfahrzeuge streuen Sand vermischt mit Salz, das sorgt für einen guten Gripp. Auf Magerøya darf jedoch nur Sand gestreut werden, da es ein Naturschutzgebiet ist.
Es ist ein erhebender Moment, als dann das Kap vor uns auftaucht. Der Parkplatz ist fast leer, nur ein Reisebus steht vor dem Besucherzentrum. Der Kassier beim Schranken erzählt uns, dass Hurtigruten heute früh wegen des starken Winds und der Schneeverwehungen abgesagt hat. Wir hatten Glück, dass der Schneepflug kurz vor uns die Straße gesäubert und Sand gestreut hat.
Wir trinken einen Schluck auf unser erreichtes Ziel und gehen nach drinnen wo es angenehm warm und windstill ist. Im 3. Untergeschoß des Besucherzentrums beginnt bald der Film über das Nordkap, der wunderschöne Aufnahmen aus allen Jahreszeiten zeigt. Am Ende sieht man das Nordlicht, vielleicht haben wir heute Nacht ja auch Glück.
Um 15 Uhr schließt das Besucherzentrum und die Angestellten fahren ab. Jetzt sind wir alleine am Ende der Welt. Den ganzen Nachmittag über bläst ein starker Sturm, die Schneekörner fühlen sich wie Nadelspitzen in unserem Gesicht an. Aber am Abend soll es laut Prognose besser werden.
Wir suchen einen windgeschützten Platz für unseren Elefanten, setzen uns hinein und jausnen erst einmal. Als wir gegen 19 Uhr einen Blick nach draußen riskieren, schimmert bereits das Nordlicht über dem Nordkap. Wir können es kaum fassen, dass wir solch ein Glück haben. Der Himmel ist fast wolkenlos, nur der Sturm ist geblieben. Es ist unmöglich, das Stativ alleine stehen zu lassen. Als das Nordlicht nach einiger Zeit schwächer wird, wärmen wir uns im Auto auf.
Nach einer halben Stunde schaut Wolfgang nochmal bei der Türe raus und in dem Moment tanzt ein mehrfärbiges Nordlicht direkt über uns, von grün über weiß bis rot und violett. Es bewegt sich unglaublich schnell, mal blitzt es auf wie ein Scheinwerfer und mal zeichnet es geschwungene Bänder in den schwarzen Himmel.
Am nächsten Morgen hat sich der Sturm gelegt und am Horizont ist ein oranger Streifen zu erkennen. Es ist hell genug, um die verschiedenen Monumente am Nordkap ohne Lampe ansehen zu können. Als das Besucherzentrum um 11 Uhr öffnet, genießen wir in der Panorama Bar ein Croissant mit Cappuccino. Gegen 13 Uhr machen wir uns auf den Rückweg, während es schon wieder dunkel wird.
Wir verlassen die Insel Magerøya und suchen uns südlich von Skaidii einen Stellplatz. Als wir das Hubdach aufstellen hat es bereits -14°C. Doch es wird immer kälter und kälter. Trotz laufender Standheizung wachsen im Auto auf den Metallteilen die Eisblumen. Wir checken noch einmal das Thermometer: -23°C! Also beschließen wir weiterzufahren und buchen im Hotel Scandic in Alta ein Zimmer. Dort ist es nicht nur warm, es gibt auch ein riesiges Frühstücksbuffet, das wir am nächsten Morgen sehr genießen.