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Der Verkehr in Teheran soll so ziemlich der schlimmste auf der ganzen Welt sein, heißt es.

Und das stimmt. Dass man für die anderen Verkehrsteilnehmer mitdenken muss und der Vertrauensgrundsatz im Iran grundsätzlich nicht gilt, haben wir ja schon verinnerlicht. Aber es wird halt schwierig, wenn man nicht nur auf zwei oder drei andere Fahrzeuge achten muss, sondern 30 oder 40. Die Stadteinfahrt hat vier Spuren, jedoch reihen sich so viele Autos nebeneinander ein, wie Platz haben. Sechs Reihen sind das Minimum an einer Kreuzung. Buchstäblich jeder Zentimeter wird ausgenützt. Dass dann einer, der ganz links steht, rechts abbiegen will, versteht sich von selbst. Erstaunlich ist, dass das auch klappt. Zwischen den Ampeln ordnet sich der Verkehr wieder ein bisschen, womit zwischen den Autos genug Platz ist für diejenigen, die es wirklich eilig haben oder zu oft Verfolgungsjagden im Fernsehen geschaut haben (oder – wie Wolfgang meint – die es nicht erwarten können, ins Paradies zu kommen). Einen Abstand von zwei Fahrzeuglängen zum Vordermann sehen sie als Einladung, mit Höchstgeschwindigkeit von links und rechts zu überholen.

Freie Fahrstreifenwahl ... Zuviel geladen? Aber wo!

Nicht nur der Verkehr fordert höchste Konzentration. Auch die Straßenplanung macht das Leben spannend. Es gibt unzählige Über- und Unterführungen, bei denen nicht klar ist, ob sie geradeaus führen oder abzweigen. So verfahren wir uns trotz Auto-Navi und Navi am Handy mehrmals.

Wir suchen uns einen passenden Übernachtungsplatz und landen schließlich vor der Botschaft von Turkmenistan. Da wir dort am nächsten Tag das Visum beantragen wollen und man früh dran sein soll, ist der Platz – zumindest verkehrstechnisch – vorteilhaft. Ein zweiter Vorteil ist, dass die Botschaft bewacht ist und wir daher relativ sicher stehen. Abgesehen davon ist der Platz nicht empfehlenswert, denn wir stehen direkt an der Straße und die Autos fahren quasi über unseren Kopfpolster. Außerdem haben wir neben dem Auto keinen Platz.

Nach einer kurzen Nacht stehen wir um 8:30 auf und packen alle Dokumente für die Botschaft zusammen. Dort dauert es eine ganze Weile, bis das kleine Fenster beim Visa Service aufgeht. Während wir unsere Application Form ausfüllen, kommen laufend Visa-Agenten vorbei, um Anträge abzugeben oder Pässe abzuholen. Wir müssen nicht lange warten. Der Botschaftsmitarbeiter meint, wir können das Visum gerne in Mashad abholen. Wir müssen aber mit einer Bearbeitungsfrist von 2-3 Wochen rechnen und können frühestens in zwei Wochen nachfragen. Für uns überraschend ist, dass wir die Visagebühr noch nicht bezahlen müssen, aber das ist für Turkmenistan üblich.

Nachdem wir den Antrag erledigt haben, fahren wir zum Frühstücken in einen Park in der Nähe. Parks gibt’s zum Glück genug und es ist auch nicht ungewöhnlich, dass man dort ein kleines Picknick macht, also können wir unser Frühstück in Ruhe genießen.

Frühstücksbankerl

Gestärkt brechen wir zum Golestan Palast auf. Das Wochenende steht vor der Tür und wir finden einen guten Parkplatz nicht weit vom Palast entfernt. Am Straßenrand steht zwar ein Schild, dass hier Halten und Parken verboten ist, aber die Zusatztext scheint das aufzuheben, denn die Straße ist auf der ganzen Länge zugeparkt.

Parken verboten - oder doch nicht?

Der Golestan Palast ist sehr prunkvoll. Es ist ein Basiseintritt zu bezahlen, und dann kann man verschiedene Ausstellungsteile dazunehmen, die extra kosten. Wir wählen ein paar Teile aus, die uns interessant erscheinen. Viele Räume sind mit Spiegelmosaiken ausgekleidet, was sehr edel aussieht. Besonders beeindruckend ist auch die Thronterrasse mit dem Thron aus gelbem Marmor aus Yazd. Der edle Stein ist fast durchsichtig und schimmert im Licht. Der Palast umschließt einen großen Park mit mehreren Wasserflächen.

Golestan Palast Marmorthron Viel Glitzer und Blingbling Unendlich viele bunte Fliesen

Nach der Besichtigung setzen wir uns in den Park und überlegen, wo es als nächstes hingehen soll. Wir sind noch sehr müde und wollen eigentlich keine Besichtigungen mehr unternehmen. Da kommt ein älterer Mann auf uns zu und fragt höflich, ob er mit uns Deutsch reden darf. Er lerne die deutsche Sprache und möchte mit uns üben. Wir sind kurz unsicher, ob das eine Verkaufsmasche ist, aber er zeigt uns seine Vokabelhefte, in die er neue Wörter hineinschreiben lässt, und wir kommen ins Gespräch. Wir reden über das Wetter, die Stadt, was uns im Iran gefällt und wilde Tiere. Nach diesem netten Plausch gehen wir in den Bazaar, der direkt neben dem Palast beginnt. Es ist schon später Nachmittag, deshalb schließen die Geschäfte im inneren des Bazaars langsam. Für einen kurzen Bummel reicht es aber aus und mehr wollten wir nicht.

Die Transporter warten auf Aufträge

Als wir wieder rauskommen, zieht ein Gewitter auf. Wir suchen Schutz im Restaurant Moslem, das sich an der Außenseite des Bazaars im ersten Stock befindet. Dort geht es unglaublich zu. Natürlich hatten nicht nur wir die Idee, vor dem Unwetter in das bekannteste Lokal der Gegend zu flüchten. Gleich nach der Stiege beginnt eine kurze Selbstbedienungstheke, auf der die Kellnerinnen die Tabletts energisch weiterschieben, damit man sich nur ja keine Zeit lässt. Dort gibt es Salate, Saucen und Getränke. Bei der Kassa wählt man die Hauptspeise aus der Speisekarte und bekommt einen Zettel. Sobald man auf den engen Tischen einen Sitzplatz gefunden hat, nimmt ein Kellner den Zettel und bringt die Hauptspeise. Wir essen Shishlik (Lammripperl) mit Reis (weiß, Safran, gebacken), dazu ein paar Salate und Saucen. Als Vorspeise essen wir eine Hühnersuppe.

Shishlik

Als das Gewitter vorüber ist, gehen wir zum Auto zurück. Der Verkehr stadtauswärts ist wieder heftig, aber wir bekommen schon etwas Routine und fahren unbehelligt aus der Stadt hinaus. Schon von weitem ist die goldene Kuppel des Khomeini-Mausoleums zu sehen, die in der Nachmittagssonne glänzt. Vor dem Mausoleum befindet sich ein großer Parkplatz mit noch größeren Picknickplätzen. Dort wollen wir heute übernachten. Bei der Einfahrt bekommen wir eine Chipkarte, bei der Ausfahrt ist dann zu bezahlen.

MausoleumMoschee neben dem Mausoleum Picknickplatz "Schlumpfhausen"

Ein Stück von uns entfernt schlägt eine Familie ihr Zelt auf. Kurze Zeit später kommt ein Mädchen zu uns und überreicht uns ein Teller mit einem großen Stück Torte mit der Erklärung, dass ihr großer Bruder Geburtstag hätte. Wir bedanken uns herzlich. Wir lassen uns die Torte schmecken und beschließen, dass wir dem Geburtstagskind als kleine Aufmerksamkeit eine Ansichtskarte von Linz mit unseren Geburtstagswünschen überreichen.

Spät am Abend kommt ein anderer Iraner auf uns zu und möchte uns auf eine Shisha einladen. Es dauert etwas bis wir ihm verklickern, dass wir die Einladung leider ausschlagen müssen, weil wir Nichtraucher sind. Wir ziehen uns ins Auto zurück, kurz darauf klopft es und der Iraner von vorhin bringt uns zwei Tassen Tee, sowie einen Becher gerösteter Sonnenblumenkerne und einen Becher Süßigkeiten.

In der Nacht zieht wieder einmal ein Gewitter auf und viele iranische Camper, vor allem diejenigen, die einfach auf einer Matte und mit einer Decke unter freiem Himmel schlafen, packen zusammen. Dann kehrt endlich Ruhe ein – es ist schon fast halb 2 Uhr Früh.

Am nächsten Morgen wird Judith in den Toilettenanlagen von einer ganzen Gruppe älterer Damen belagert. Sie versteht nur so viel, dass eine davon eine Tochter in Deutschland hat.

Während Wolfgang die Wasserkanister aufgefüllt, kommt eine Iranerin zu Judith und bietet ihr Obst an. Wolfgang bekommt natürlich auch ein Stück. Ihr Mann möchte Fotos von sich und unserem Auto, von uns mit seiner Frau und dem Auto, von uns mit ihm und dem Auto. Wir knipsen eine Weile herum und verabschieden uns dann. Kurze Zeit später treffen wir sie im Stau wieder, wo sie uns noch ihre Telefonnummern zustecken. Wäre sicher witzig wenn wir dort anrufen, denn sie können nicht Englisch und wir nicht Farsi.

Iranische Defender-Fans

Beim Khomeini-Park kann man direkt auf die Autobahn auffahren, doch die Polizei leitet den Verkehr ab und ehe wir uns versehen, stecken wir mitten in einem Megastau im (!) Friedhof von Teheran. Wir haben das Gefühl, dass hier heute 200 Begräbnisse stattfinden. Jeder sucht einen Parkplatz, die Autos stehen kreuz und quer, Blumengestecke werden herumgereicht, es wir gehupt und geschnitten. Es herrscht Chaos pur. Dazu kommt, dass es im Friedhof zwar viele Straßen, aber nur wenige Ausfahrten gibt. Als wir einmal unsicher sind, wie es weitergeht, machen wir es wie die Iraner. Wir bleiben einfach stehen, wo wir sind und machen die Warnblinkanlage an. Da kommt ein netter Herr am Moped vorbei, der noch dazu Englisch spricht und bestätigt uns, dass wir hier einen U-Turn machen müssen. Judith schiebt also in dem ganzen Chaos ein paar Meter zurück, und fährt dann über einen Plastikpflock, der sich wie eine Kippstange umlegt, schneidet über 3 Spuren von ganz links nach ganz rechts und schon sind wir wieder dabei. Die Autobahnauffahrt ist dann auch noch wegen einer Baustelle gesperrt und wir müssen nochmals einen Umweg fahren. Es dauert fast 3 Stunden, bis wir endlich auf der Autobahn in die richtige Richtung unterwegs sind.