Als wir den Kafue Nationalpark im Westen auf der Transitroute verlassen, wird schlagartig die Straße schlecht und wir fallen von einem Schlagloch ins andere. Wir sind schon froh, wenn wir 20 km/h fahren können. Die Fußgänger gehen auf den Asphaltresten und die Autos fahren neben der Straße, wo sich bereits Sandpisten gebildet haben.
Wir sind nach diesem anstrengenden Fahrtag völlig gerädert und wollen in Mongu, der nächsten größeren Stadt, nur kurz in den Supermarkt. Aber es sollte anders kommen. Je näher wir nach Mongu kommen, desto mehr Leute sehen wir in das Stadtzentrum pilgern. Die Männer haben rote Mützen auf und sind teilweise in Rock und Gilet gewandet.
Am Parkplatz vor dem Supermarkt herrscht völliges Chaos. Überall laufen rotgewandete Menschen herum und alles ist verstopft. Wir fragen zwei Männer in dieser außergewöhnlichen Tracht, was denn hier los sei. Sie antworten uns, dass heute König Lubosi Imwiko II., der König der Lozi, aus seinem Sommerpalast in der Lealui-Ebene in seinen Winterpalast zieht und in ca zwei Stunden im Hafen von Mongu ankommen soll.
Oh, wir können es gar nicht glauben. Haben wir wirklich den Tag der Kuomboka Zeremonie erwischt? Das ist die größte Kulturveranstaltung Sambias und wir dachten, das Event hätte bereits vor ein paar Wochen stattgefunden. Wir sind völlig aus dem Häuschen. Die beiden Herren erklären uns, wie wir am besten zum Mongu Harbour kommen.
Als wir über das Escarpment fahren, sehen wir abertausende Menschen. Die Polizei leitet uns in eine Nebenstraße ab und wir parken das Auto. Ein Mann bietet uns auf einem abgesperrten Gelände einen sicheren Parkplatz an. Seine Frau und Freunde sitzen hier auf einem Pick-up beisammen und bewachen die Autos. Wir parken ein und folgen den Menschenmassen zum Fluss. Die traditionell gewandete Männer in ihren Röcken und Gilets mit roter Mütze und geschnitztem Gehstock werden immer mehr. Die Damen tragen Kleider in bunten, edlen Stoffen.
Am Ostufer des Flusses ist ein Festzelt für die Ehrengäste aufgebaut. Der Staatspräsident von Sambia, Hakainde Hichilema, und zahlreiche Chiefs aus dem ganzen Land haben sich angekündigt. Ob sie auch die gleiche Schlaglochpiste wie wir nehmen oder doch lieber den Hubschrauber?
Wir gehen über die Brücke ans Westufer, da haben wir die Sonne im Rücken und das Licht ist besser. Wir quetschen uns durch Massen von Leuten und gehen ein Stück den Fluss entlang, bis wir an einer Stelle in der dritten Reihe zu stehen kommen. Die Einheimischen sind alle sehr freundlich und gut gelaunt. Wir sind, soweit wir sehen, die einzigen Weißen. Es ist eine Zeremonie für die lokale Bevölkerung und kein Touristenevent. Wie schön, dass wir das zufällig erwischt haben.
Als wir so warten, kommt ein stattlicher Mann auf uns zu und fragt, von wo wir sind und wie wir hier her kommen. Es stellt sich heraus, dass er für Radio Mongu arbeitet. Er möchte ein Interview mit uns machen. Wir sind baff und Wolfgang zögert, aber ich denk mir „Was soll’s“ und ich sage zu. Da zückt er sein Handy und als ich meine, dann könnten wir es ja wieder löschen, wenn ich Blödsinn rede, sagt er nein, wir gehen direkt live auf Sendung. Na bumm!
Nach dem Interview heißt es warten, warten, warten. Die Leute stehen dicht gedrängt am Wasser und wir kommen mit einem jungen Mann ins Reden, der auf seinem Handy einen Livestream der Prozession schaut. Er meint, dass das Boot mit dem König noch etwa einen Kilometer weit weg sei.
Im gleichen Moment kommt auf der Brücke der Staatspräsident an und dann geht es Schlag auf Schlag. Als ein Ruderboot mit Ruderern in grün-rot-weißen Gewändern ankommt, werden die Leute hektisch. Das Boot fährt das Ufer ab und die Leute bespritzen das Boot und die Ruderer mit Wasser. Dazu wird viel applaudiert und gejubelt. Das Boot fährt ein paar mal auf und ab und dann sehen wir schon in der Ferne den großen Elefanten, der das Boot des Königs schmückt.
Wir hören die drei großen Trommeln, die die Ankunft des Königs ankündigen. Das große Schiff des Königs wird von 100 Ruderern gefahren, die mit einem Lendenschurz aus Leopardenfell und einem Kopfschmuck aus Löwenmähne gekleidet sind. In der Mitte des Schiffs befindet sich die große Elefantenstatue, die sich sogar bewegt und einen Zweig im Maul hält. Darunter ist der König untergebracht. Die Menschen sind außer Rand und Band und wir müssen aufpassen, dass wir nicht untergehen.
Das Königsboot dreht zwei Ehrenrunden, bevor es an der Ehrentribüne anlegt. Es steigt viel Rauch auf und wir verlieren irgendwie den Überblick. Wir kennen den König ja nicht und außerdem wird es bereits dunkel. So schließen wir uns der Masse an, die sich auch bereits auf den Heimweg macht. Auf der Brücke herrscht großes Gedränge, da hier eine Fahrspur für die Präsidentenfahrzeuge gesperrt ist und alle Fußgänger zusammengequetscht werden. Die Polizei steht mitten drin, unternimmt aber nichts.
Zurück am Parkplatz plaudern wir mit den Aufpassern. Es sind Catherine, ihr Mann und ihre vier Kinder. Wir haben noch keinen Übernachtungsplatz und nehmen an, dass aufgrund dieses Events alle Lodges ausgebucht sind. Wir fragen deshalb, ob wir hier auf dem Gelände übernachten könnten und da laden sie uns spontan zu sich daheim ein. Wir könnten gerne in ihrem Garten parken. Das ist wirklich super nett und wir nehmen das Angebot gerne an.
Durch tiefen Sand fahren wir hinter ihnen her in eine Wohnsiedlung. Ihr kleines Haus steht mitten in einem Sandgarten. Wir schlagen das Zelt auf und alle sind begeistert, haben sie doch noch nie so etwas wie unseren Defenderausbau gesehen. Wir plaudern sehr nett mit Catherine und den beiden älteren Kids, während ihr Mann noch einen Freund heimbringt. Sie erzählen uns, dass morgen für sie ein großer Tag ist. Sie arbeitet nebenbei als Pfarrsekretärin in der katholischen Pfarre und morgen kommt der König der Lozi zur Messe. Wir beschließen spontan, mit ihnen hinzugehen.
Nächsten Tag ist um 6:20 Uhr Tagwache, denn kurz nach 7 Uhr geht’s los zur Kirche. Dort hat gerade die englischsprachige Messe begonnen, die nur mäßig besucht ist. Die große Messe, zu der der König der Lozi und sein Ehrengast, Paramount Chief des Bemba-Stammes, Chitimukulu Kanyanta Manga II., erwartet werden, findet erst im Anschluss statt.
Wir warten im Schatten vor der Kirche. Catherine ist beschäftigt mit Organisatorischem. Es wird noch viel vorbereitet und alle sind aufgeregt, das spürt man. Als die englische Messe vorbei ist, weist uns Catherine unsere Plätze zu. Wir sitzen gleich hinter den Ehrengästen in einer reservierten Reihe, perfekt. Der Chor singt sich ein, ein Lied nach dem anderen, da kommt schon Stimmung auf. Wir warten, und warten. Wichtige Personen lassen eben auf sich warten.
Erst nach knapp zwei Stunden (!) kommen der König und der Paramount Chief an. Alle knien sich vor dem König nieder und klatschen mit der hohlen Hand. Das eine Geste des Respekts, die auch bei der Begrüßung oder vor der Übergabe eines Gegenstandes (z.B. beim Bezahlen) benutzt wird.
Die beiden nehmen in geblümten schweren Fauteuils Platz und dann ziehen die Priester ein – acht an der Zahl. Auch daran erkennt man, dass es keine gewöhnliche Messe ist.
Der Chor singt ein mitreißendes Lied nach dem anderen. Beim Halleluja sind wir beide ganz hingerissen. Eine junge Frau liest zuerst einen Text und beginnt dann mit einer unglaublich tollen Stimme zu singen. Der Chor stimmt mit ein und sie singt die zweite Stimme. Wir bekommen Gänsehaut.
Während der Kollekte kommt eine junge Frau auf mich zu und fordert mich auf, mit ihr zu Catherine zu gehen. Sie führt mich aus der Kirche hinaus und am Seiteneingang wieder hinein. Catherine drückt mir eine Kanga in die Hand, die ich umlegen soll und dann bittet mich die junge Frau um mein Handy. Dieses reicht sie an einen der Pressefotografen weiter, der damit die beiden Könige fotografiert. Catherine schenkt mir anschließend die Kanga als Andenken an sie und den heutigen Tag. Ich freue mich sehr. Wer hat schon eine Kanga von der Katholischen Frauenbewegung Sambia.
Das Abschlusslied der Messe – nach über drei Stunden – ist das Lied, das gestern bei der Ankunft des Königs im Hafen gesungen wurde. Der Chor gibt alles und auch die Besucher stimmen mit ein. Es ist Wahnsinnsstimmung, es wird geklatscht, getanzt und gejohlt.
Nach diesem einmaligen Erlebnis verabschieden wir uns herzlich von unsere Gastgebern und fahren weiter nach Limulunga, zum Winterpalast des Königs. Dort steht heute noch ein großes Spektakel am Programm.
Vor Ort fragen wir einen Ordner nach einem Parkplatz und er lotst uns zu einem bewachten VIP Parkplatz – sehr gut. Dann zeigt er uns den Weg aufs Palastgelände und geleitet uns direkt ins VIP Zelt. Dort bekommen wir sogar Getränke serviert. Hier sehen wir viele Leute, die wir auch bei der Messe gesehen haben. Darunter sind zwei Männer, die uns schon in der Kirche angesprochen und uns ein paar Sachen erklärt haben. Auch hier erklären sie uns etwas über die Zeremonien. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass es genau die beiden sind, die wir gestern beim Supermarkt angesprochen haben. Unglaublich, wie klein die Welt doch ist. Sie sind ihrerseits ganz verwundert, wie wir es als Fremde schaffen, immer an der richtigen Stelle zu sein – am Hafen, in der Kirche und hier. Einer der beiden stellt sich als ein Colonel der Armee vor und gibt uns seine Telefonnummer, falls wir noch Fragen haben.
Der König und der Paramount Chief sitzen in der Loge und schauen wie wir den Tanzvorführungen zu. Teilweise sind diese wirklich sehr akrobatisch, die Protagonisten haben eine irrsinnige Körperbeherrschung und ein unglaubliches Taktgefühl.
Nach einigen Vorführung verlassen wir Limulunga und gönnen uns nach diesen turbulenten Tagen ein Hotelzimmer samt Abendessen. Da die Kumoboka Zeremonie heute endet, sind wieder Zimmer frei und die Preise auf normalem Niveau.