reiseleben.at

Adieu Europa!

Es ist Ostersonntag und statt der Osterjause genießen wir ein letztes Frühstück im Swissotel The Bosphorus, bevor wir Istanbul, und damit auch Europa für eine lange Zeit „Auf Wiedersehen“ sagen.

Auf der Bosporus-Brücke kommt der Verkehr teilweise zum Stillstand, doch das gibt uns die Gelegenheit für ein paar schöne Fotos.

Brücke nach Asien

Auf der asiatischen Seite nimmt der Verkehr deutlich ab, noch dazu wird die mautpflichtige O-Autobahn ohnehin weniger frequentiert, als die mautfreien Nebenstraßen. Kurz nach Gebze ist die erste Mautstelle und wir fahren ganz selbstsicher auf den Schranken zu, nur leider öffnet sich dieser nicht. Die nette Dame in ihrem Häuschen verlangt 70 TL und wir erklären ihr, dass wir doch unsere HGS-Vignette haben, die wir mit über 100 TL aufgeladen haben. Sie sagt nur kurz, dass das System nicht funktioniert und wir daher trotzdem bezahlen müssen … Auch bei einer weiteren Mautstelle kurz vor Bursa werden wir trotz HGS-Vignette zur Kasse gebeten. Wir verstehen das System nicht (und sind nicht die einzigen, die diesem System ratlos gegenüber stehen).

Etwas außerhalb von Bursa suchen wir uns ein Camp – Misi Caravan Camping. Der Platz ist ganz nett, vor allem sehr belebt. Das sind wir gar nicht mehr gewohnt. Schon die Zufahrt ist vollkommen zugeparkt, weil am Sonntag anscheinend viele Leute aus der Umgebung ins angeschlossene Restaurant zum Essen fahren. Auch am Campingplatz sind einige Plätze belegt. Es sind durchwegs Einheimische, die uns sehr freundlich zuwinken. Mit einer Dame plaudern wir länger, sie ist Engländerin und lebt seit 12 Jahren in Bursa als Englischlehrerin.
Das Wetter ist herrlich, über 25 °C. Wir genießen das sehr und sitzen das erste Mal bis nach dem Abendessen draußen.

Misi Caravan Camping

Während Wolfgang am nächsten Tag zur Stadtbesichtigung in Bursa aufbricht, bleibe ich im Auto und mach es mir auf der Rückbank gemütlich. Bei mir hat sich schon vor zwei Tagen eine Verkühlung angekündigt, die jetzt vollends ausgebrochen ist.

Bursa

Bursa war die erste Hauptstadt des osmanischen Reichs. Die Sultane haben einige Wahrzeichen geschaffen, die heute noch stehen. Dazu gehört die Ulu Cami (große Moschee) aus 1399, die mit 20 Kuppeln und einer beachtlichen Größe beeindruckt. Gleich dahinter befindet sich der Koza Han, ein wunderschön restaurierter überdachter Basar. Die Bereiche mit den Schmuckhändlern sind besonders schön. Aber es gibt natürlich auch unzählige Bekleidungsgeschäfte usw. An den Koza Han schließen kleine Gassen an, in denen sich ebenfalls links und rechts Verkaufsstände aneinanderreihen. Hier draußen sind es vor allem Lebensmittelstände. Man bekommt praktisch alles in unglaublichen Mengen. Es scheint so, als wäre ganz Bursa ein Basar.

Ulu Cami Vor der Moschee Koza Han Basar Koza Han Basar

Geht man von dort paar hundert Meter auf der Atatürk Caddesi weiter, kommt man am Saltanat Kapisi vorbei, dem kaiserlichen Tor. Nicht weit davon entfernt auf einem Hügel befindet sich die Gruft von Sultan Osman, dem ersten Sultan und Gründer des Osmanischen Reichs. Er ist dort mit seinen zahlreichen Söhnen bestattet und wird von den Türken heute noch verehrt. Ständig kommen Leute in das Mausoleum und umrunden betend die Särge. Gleich daneben ist das Mauoleum des zweiten Sultans, Orhan, der offenbar nicht ganz so hoch verehrt wird.

Sarg von Sultan Osman Sultan Osman und seine Söhne Sarg von Sultan Orhan

Mit einem Bummel durch die geschäftigen Gassen beendet Wolfgang seinen Stadtbummel.

Es dauert ein wenig, bis wir aus Bursa hinausgefunden haben. Als wir endlich auf der Schnellstraße sind, wird der Verkehr rasch weniger. Bis Karacabey sind noch viele Lastwagen unterwegs, sobald wir nach Süden abbiegen, werden auch diese weniger. Die Straße führt durch weite Täler, die schon in kräftigem Grün des Frühlings leuchten. Das Land scheint sehr fruchtbar zu sein. Es wird Ackerbau und Viehzucht betrieben. Erst weiter im Süden tauchen auch wieder weite Felder mit Olivenbäumen auf. Wir fahren bis ins rund 170 km entfernte Bergama. Dort wollen wir die Ausgrabungen besichtigen. Wir werden uns dort ein Zimmer nehmen, damit sich Judith besser von ihrer Verkühlung erholen kann.

Bergama

Bergama ist eine kleine Stadt, die sicher völlig unbedeutend und unbekannt wäre, wenn hier nicht zahlreiche Überreste der griechischen und römischen Besiedlung zu besichtigen wären. Dennoch ist der Ort wesentlich unbekannter und ruhiger als Selҫuk (mit der Ausgrabung von Ephesos). Wir übernachten im Odyssey Guesthouse. Der freundliche Gastgeber zeigt uns die Zimmer, die Küche und die Dachterrasse. Wir nehmen ein Dreibettzimmer, weil es etwas geräumiger ist, im ersten Stock liegt und einen Balkon hat. Das Haus hat eine Patina, aber es ist gepflegt und sauber, sodass sich sein Charme entfalten kann.

Dachterrasse Odyssey Guesthouse

Zum Abendessen gehen wir ins nahe gelegene Aksu Pide. Wir essen Döner Kebap mit Reis Pilav, Iskender Kebap, Tomatensalat, eine Nachspeise und trinken Ҫai. Es schmeckt sehr gut. Nach dem Essen bekommen wir vom Kellner als Erfrischung und zur Reinigung etwas Zitronenwasser auf die Handflächen gespritzt. Da fühlt man sich gleich wieder frisch.
Nach einem Tag Erholung im Bett für mich und Internet auf der Dachterrasse für Wolfgang geht es mir wieder etwas besser. Während ich versuche wieder etwas in die Gänge zu kommen, besucht Wolfgang das örtliche Hamami aus 1513.

Das Asklepieion von Pergamon

Nachmittags wollen wir das Asklepieion von Pergamon besichtigen. Das liegt etwa 1,5 km außerhalb des Ortszentrums auf einem kleinen Hügel. Die dem Gott Asklepios geweihte Anlage wurde laut Überlieferung im 4. Jh. vor Christus gegründet und zählte in römischer Zeit zu den bedeutendsten Heilstätten der Antike. Den Quellen, die dort entspringen, wurde heilende Kraft nachgesagt. Noch heute sprudelt eine Quelle in ein kleines Marmorbecken.

Vom Eingangstor führt die Hallenstraße zum Heiligtum hin. Dieses bestand damals aus einem großen rechteckigen Festplatz, mehreren Tempeln und Bädern und anderen Räumen.
Weiters war dort ein prächtiges Theater für 3.500 Zuschauer errichtet. Man erkennt noch heute, dass die besseren Plätze sehr gemütlich gestaltet waren.
An der Ostseite erhob sich der neue Tempel des Asklepios, der um 150 n. Chr. nach dem Vorbild des Pantheon in Rom erbaut wurde, dessen halbe Größe er etwa hat. Das große, runde Kurgebäude an der Südostecke war mit der heiligen Quelle auf dem Festplatz durch einen Tunnel verbunden. Den Tunnel kann man noch heute durchschreiten und an ein paar Stellen erkennt man Überreste der edlen Marmortäfelung, die ihn früher verziert hat.

Hallenstraße Festplatz Unterirdischer Gang zur Heilquelle Heilquelle Blick auf das Theater Theater

Nach der Besichtigung wandern wir wieder in den Ort zurück. Wir haben Hunger und kehren ins Altin Kepce Bergama Köfte ein, gleich neben dem Hamam. Wir bestellen Köfte, gebratene Melanzani und Reis, dazu gibt’s Brot und Wasser. Die Melanzani und die gebratenen Tomaten kommen in raffiniert gewürzter Ölsauce.

Am nächsten Tag haben sich unsere Rollen vertauscht. Während ich immer fitter werde, hat es Wolfgang nun erwischt. Er hat fast 39 °C Fieber und Schüttelfrost. Somit verbringt er den Tag im Bett und ich kümmere mich um unsere Wäsche und lese auf der schönen Dachterrasse unseres Guesthouses.

Akropolis

Nach ein paar Tagen Faulenzen besichtige ich die Akropolis, während Wolfgang noch das Bett hütet. Die Akropol Caddesi zieht sich den ganzen Berg herum und ist streckenweise doch sehr steil und ich brauche fast eine ganze Stunde, bis ich zu Fuß oben ankomme. Ich zahle 25 Lire Eintritt und bummle durch die weitläufige Anlage gleich bis zum Highlight, dem Trajaneum. Hier stehen noch viele gut erhaltene Marmorsäulen und man kann sich sehr gut vorstellen, wie es hier vor fast 2000 Jahren ausgesehen hat. Die Fotomotive sind unzählig und es erstaunt mich, dass so gut wie keine Touristen hier sind. Man hat von hier aus einen wunderschönen Blick auf die Stadt Bergama. Ich besichtige auch die Tunnel der ehemaligen Bibliothek, die zur zweitgrößten der antiken Welt gehörte und mehr als 200.000 Bücher enthielt.

Statue im Trajaneum Trajaneum Trajaneum

Durch die Reste des Athena Tempels gelange ich in das überwältigende Amphitheater, das sich an den Berg schmiegt. Normalerweise sind solche Theater breiter und runder gebaut. Da dieser Berg das nicht zulässt, haben sich die Erbauer entschieden, das Theater in die Höhe zu ziehen, um 10.000 Besuchern Platz zu bieten. Es ist atemberaubend wenn man hier oben steht und Richtung Bühne blickt. Es zieht einen fast hinunter, so steil ist es. Ich gehe bis ganz runter und lasse dieses imposante Bauwerk auch von unten auf mich wirken. Es scheint fast auf mich herunterzufallen. Dieses Theater wurde früher nicht von oben betreten, sondern von der unterhalb gelegenen Prachtstraße. An einem Ende der Prachtstraße befindet sich der Dionysos Tempel. Auch hier sind teilweise noch sehr gut erhaltene Marmorrelikte zu finden. Am anderen Ende der Prachtstraße gelange ich zu einem etwas unwegsamen Gelände. Hier bin ich dann ganz alleine unterwegs, die meisten Besucher kommen nicht mehr hierher.

Reste des Athena Tempels Amphitheater Amphitheater

Nach gut 1,5 Stunden Besichtigung, mache ich mich an den langen Rückweg. Ich gehe flotten Schrittes die Akropol Caddesi hinunter, zurück in die Stadt. Dabei verzehre ich mein mitgebrachtes Sesamringerl.

Nächsten Tag ist Wolfgang soweit fit, dass wir die Weiterreise antreten können. Wir sind krankheitsbedingt länger in Bergama geblieben als unter normalen Umständen. Dabei haben wir Bergama als sehr netten und freundlichen Ort kennengelernt. Außerdem hat sich bei uns endlich das richtige Zeitgefühl für unsere Langzeitreise eingestellt. Es hat sich endgültig das Gefühl verflüchtigt, im Urlaubsmodus – einem engen Zeitplan folgend – von einem Ort zum nächsten hetzen zu müssen.