Nach ein paar sonnigen Tagen am Meer fahren wir wieder ins Landesinnere. Unser nächstes Ziel ist Konya – die Heimat der tanzenden Derwische und der Turkish Stars.
Schnell steigt die Straße an und die Vegetation ändert sich. Auf den Hügeln stehen vermehrt Tannen und Fichten. Es geht weiter immer bergauf, bis wir auf 1825m sind. Auf den Gipfeln um uns herum liegen noch Schneefelder und wir machen einen Fotostopp. Dabei entdeckt Wolfgang sogar Murmeltiere, die sich jedoch schwierig fotografieren lassen.
Die Einfahrt nach Konya geht reibungslos und wir checken im Karatay Belediyesi Karavan Camping ein. Hier handelt es sich um einen kostenlosen Gemeinde Campingplatz von Konya mit Wasser, Strom, Picknickplätzen, großzügigen Stellplätzen, heißen Duschen und sauberen WCs. Der Karavan Platz liegt neben einem Freizeitpark, in dem die Einheimischen bereites fleißig grillen. Auch die Parkwächter sind gerade beim Schnabulieren als wir ankommen. So werden uns im Gegenzug zu unseren Reisepässen gleich zwei Lammripperl und ein Spieß gereicht, die wir genüsslich abnageln. Bei uns gibt’s heute fleischlose Küche, nämlich gebackene Melanzani und Zucchini mit Tzatziki. Es schmeckt herrlich und ist sogar fast vegan ;-)
Das Frühstück nächsten Tag wird dagegen schon etwas herzhafter, schließlich muss der mitgebrachte Mühlviertler Speck noch verputzt werden, bevor wir in den Iran kommen. Uns so machen wir uns eine große Pfanne Eierspeis mit Speck, Paprika, Tomaten und Zwiebel. Das ganze in Butter, das gibt einen herrlich würzigen Geschmack, der nach daheim schmeckt.
Plötzlich wird es laut am Himmel und es zischen drei Düsenjets über uns hinweg. Als wir hinaufblicken, sehen wir, dass es sich nicht um gewöhnliche Militärjets handelt, sondern um die unverkennbaren „Turkish Stars“, die türkische Kunstflugstaffel, die wir bereits von unseren mehrmaligen Besuchen der Airpower in Zeltweg kennen. Wir sind begeistert, als kurz darauf nochmals vier Jets direkt über uns in Formation fliegen. Leider ist dann der Trainingsflug, soweit wir sehen, auch schon wieder zu Ende. Wir vermuten, dass sie für eine Flugshow in Antalya üben, die in den nächsten Tagen stattfinden soll.
Nach diesem Morgenprogramm gehen wir zur nahegelegenen Straßenbahnhaltestelle und fahren ins Stadtzentrum bis zur Endhaltestelle und bummeln langsam retour. Dabei kommen wir am Basar vorbei, der sich über einige Straßenzüge erstreckt. Die Auswahl ist groß. Von Gemüse bis zur Melkmaschine gibt es alles zu kaufen und vor allem am Freitagnachmittag die Straßen sind voll mit Menschen. Neben einem Fischhändler werden Fischweckerl verkauft. Wir setzen uns hin und essen zwei Weckerl gefüllt mit Salat, Zwiebel und frisch gegrilltem Fischfilet um zusammen 2 EUR.
Außerdem schauen wir noch in die Selimiye Moschee, die von Sultan Selim II. in den Jahren 1558 bis 1567 errichtet wurde. Das Freitagsgebet ist schon vorbei und wir können ungehindert hinein. Über unseren Köpfen hängt ein Luster, der fast den ganzen Raum ausfüllt. Die Kuppeln darüber sind reich verziert mit Mosaiken.
Gleich daneben befindet sich das Mevlânâ Museum. Mit einem Audioguide wandern wir durch den Rosengarten bis zum Mausoleum von Celaleddin Rumi mit der angeschlossenen Lodge der Mevlevi-Derwischbruderschaft, deren Begründer Rumi war.
Das Mausoleum ist heute noch ein bedeutender islamischer Wallfahrtsort, der jährlich von 1,5 Mio Menschen besucht wird. Deshalb sind viele muslimische Reisegruppen – vornehmlich Frauengruppen – hier, nur vereinzelt sehen wir europäische Touristen. Wir sind solche Besuchermassen gar nicht mehr gewöhnt, weil wir bisher immer eher einsam unterwegs waren.
Dass so viele Pilger hierherkommen, ist umso verwunderlicher, als die Mevlevi-Derwischbruderschaft von Atatürk 1925 verboten wurde, weil er sie als hinderlich für den Fortschritt betrachtete. Aber einige Orden überlebten und in Konya wurde eine Bruderschaft in den 1950er Jahren als „Kulturverein“ wiederbelebt. Daher gibt es auch heute noch öffentliche Vorführungen der tanzenden Derwische in Konya, nur eben in keinem sakralen Gebäude, sondern im Kulturzentrum.
Das Mausoleum ist kunstvoll gestaltet, mit Wandmalereien, Kacheln und kunstvollen Kaligrafien. Viele Besucher beten vor dem Sarkopharg und noch mehr von ihnen küssen die Vitrine, in der sich eine Perlmuttschatulle mit einem Barthaar des Propheten Mohammed befindet. Viele Besucherinnen werden ganz hektisch ob dieser Reliquien und drängen sich um die besten Plätze. Andere stehen still da und beten.
Neben weiteren Mausoleen können auch die ehemaligen Klosterzellen der Derwische besichtigt werden. Es sind kleine Zimmer, die kaum mehr Platz als für ein Bett und einen Sessel bieten. In den Zimmern werden Puppen ausgestellt, die zeigen sollen, wie die Derwische früher hier gelebt haben, sowie ihre Musikinstrumente und andere Gegenstände.
Nach der Besichtigung gehen wir ins Deva 1 Restaurant, das nicht weit vom Museum entfernt ist. Dort bestellen wir uns die Spezialität von Konya, Firin Kebap. Ein Firin Kebap besteht aus Hammelfleisch, das mit Fladenbrot, Petersilie, Zitrone und Zwiebel serviert wird. Der Kellner weist uns bei der Bestellung extra darauf hin, dass hier kein Rindfleisch serviert wird. Zugegeben, das Fleisch hat einen intensiven Geschmack, aber mit Zitrone beträufelt und mit Petersilie gegessen, schmeckt es sogar Wolfgang sehr gut. Außerdem bestellen wir eine Pide (ebenfalls mit Hammelfleisch) und Salat. Nach dem Essen bekommen wir noch den obligatorischen Ҫay.
Gegen Abend gehen wir zum Mevlânâ Kulturzentrum, wo jeden Samstag um 19 Uhr die Vorführung der tanzenden Derwische stattfindet. Als wir um 18 Uhr ankommen, ist noch sehr wenig los und der Saal noch geschlossen. Im Foyer befinden sich ein paar Verkaufsstände – Merchandising sozusagen.
Der große Saal besteht aus einer runden Tanzfläche in der Mitte und einer kreisförmigen Tribüne mit gemütlichen Polstersesseln für sicherlich tausend Zuseher. Als die Derwische hereinmarschieren, ist der Saal voll besetzt. Die Vorführung dauert etwa eine Stunde. Zuerst singen und spielen die Musiker und es wird ein Gebet gesprochen, dann legen die Derwische ihre schwarze Mäntel ab, das versinnbildlicht, sie werden in der Wahrheit wiedergeboren. Ihre hohe Filzkappe symbolisiert den Grabstein, der weiße Rock das Grabtuch. Nach einer Verneigung vor dem Meister beginnen sie sich um die eigene Achse und im Raum zu drehen. Zuerst mit gekreuzten Armen, mit zunehmender Drehung breiten sie die Arme aus, die rechte Handfläche zeigt nach oben (zum Himmel, um Gottes Wohltätigkeit zu empfangen), die linke Hand, auf die der Derwisch mit zur Seite geneigtem Kopf schaut, nach unten (zur Erde, um Gottes Gaben weiterzugeben). Begleitet wird der Tanz vom Derwisch-Orchester mit Trommeln, Flöten, Seiteninstrumenten und Gesang.
Nach mehreren Tanzsequenzen begeben sie sich wieder auf ihre Plätze am Rand der Tanzfläche. Der Meister spricht ein Gebet, in das die Besucher andächtig einstimmen. Danach ist die beeindruckende und bewegende Zeremonie beendet.
Einen Besuch in Konya sollte man sich wenn möglich so einteilen, dass man Samstagabend die Vorstellung der Derwische besuchen kann.